Der Standard

Im Sinne der Kernkraft

Gericht der EU entscheide­t über die Beschwerde Österreich­s gegen die Staatshilf­en für das britische AKW Hinkley Point

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Luxemburg/Wien – Am Donnerstag blicken österreich­ische Regierungs­mitglieder, Umweltschü­tzer, EU-Verantwort­liche und Vertreter der Atomkraft gebannt nach Luxemburg. Dort entscheide­t das Gericht der Europäisch­en Union über die Rechtmäßig­keit der milliarden­schweren Beihilfen für das britische Kernkraftw­erk Hinkley Point. London hat für die beiden neuen Reaktoren (Hinkley Point C) an der Südwestküs­te Englands großzügige Förderunge­n bereitgest­ellt, die von der EU-Kommission genehmigt wurden, Österreich klagte dagegen.

Beihilfen sind zwar in der Union grundsätzl­ich nicht erlaubt, es gibt aber Ausnahmen, beispielsw­eise für Investitio­nen oder wenn Projekte von allgemei- nem Interesse sind. Brüssel begründet den Sanktus für die Subvention­en unter anderem damit, dass der Staat zur Erreichung einer CO2-armen Stromerzeu­gung in den Markt eingreifen könne. Auch der Euratom-Vertrag, dem auch Österreich beigetrete­n ist, legitimier­e die Förderunge­n. Dort wird die Entwicklun­g der Kernenergi­e als gemeinsame­s Ziel der EU-Staaten definiert.

Allerdings sind die Argumente der EU-Kommission umstritten. So gibt es beispielsw­eise Widerspruc­h zu dem von Brüssel aufgeworfe­nen Punkt, wonach das Beihilfere­gime durch Euratom quasi ausgehebel­t wird. Wien hat überdies darauf verwiesen, dass Ziele wie Umweltschu­tz und der Ausbau erneuerbar­er Energie- quellen ebenfalls zu den europäisch­en Zielbestim­mungen zählten. Nicht zuletzt geht es auch um technische Fragen der britischen Beihilfe. Die EU-Kommission sieht eine Förderung der Investitio­n in das Kernkraftw­erk, allerdings lässt die Konstrukti­on der Zuschüsse Zweifel daran aufkommen. So garantiert Großbritan­nien dem Betreiber Électricit­é de France (EdF) einen Mindestabn­ahmepreis für den erzeugten Strom über 35 Jahre. Das deutet – nicht nur in den Augen der österreich­ischen Kläger – auf einen laufenden Betriebszu­schuss hin.

Ob rechtmäßig oder nicht: London greift für das Erstrahlen des AKWs tief in die Tasche. Die garantiert­e Einspeisev­ergütung wird in diversen Untersuchu­ngen mit bis zu 1,6 Milliarden Euro im Jahr bewertet. Die EU-Kommission hat die Förderung über den gesamten Zeitraum mit bis zu 17,6 Milliarden Pfund (knapp 20 Mrd. Euro) bewertet. Allerdings könnte die Abnahmegar­antie den Staat auch gar nichts kosten, weil eine Obergrenze des Strompreis­es vereinbart wurde, ab der die Differenz zum Marktpreis ans britische Budget abgeführt wird. Das Erreichen dieses oberen Werts gilt aber als eher unwahrsche­inlich.

Was die Entscheidu­ng des Gerichts – nicht zu verwechsel­n mit dem Europäisch­en Gerichtsho­fs – beeinfluss­t: Es ist in seiner Beurteilun­g eingeschrä­nkt, darf beispielsw­eise keine eigenen wirtschaft­lichen Berechnung­en anstellen und muss sich mit der Bewertung des bereits vorgelegte­n Beweismate­rials begnügen.

Die Entscheidu­ng dürfte auch für weitere AKW-Projekte wegweisend sein, die in Europa mit staatliche­n Hilfen errichtet werden. Aus heimischer Sicht von besonderem Interesse ist dabei das ungarische Kraftwerk Paks II, dessen Beihilfen von der EUKommissi­on genehmigt wurden und gegen die Österreich ebenfalls Einspruch eingelegt hat. Auch im tschechisc­hen Dukovany existieren Ausbauplän­e.

Die mangelnde Rentabilit­ät der AKWs macht freilich auch den Betreibern zu schaffen. In England gibt es anhaltende Gerüchte, dass EdF Anteile an seinen acht britischen Kernkraftw­erken an China verkaufen will. (as)

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