Der Standard

EU-Asylpoliti­k in Innsbruck

Kickl berichtet von Konsens, Avramopoul­os mahnt

- Gianluca Wallisch und Steffen Arora

Innsbruck – Erstmals mit Herbert Kickl (FPÖ) als Gastgeber diskutiert­en am Donnerstag die EU-Innenminis­ter in Innsbruck über die Zukunft der Asylpoliti­k. Im Vordergrun­d stand wie schon beim EU-Gipfel vor zwei Wochen der Schutz der Außengrenz­en. Kickl berichtete von einem „sehr breiten Konsens“, die Grenzschut­zagentur Frontex weiter zu stärken. Diesen gebe es auch für den Plan, eine Kooperatio­n mit Herkunfts- und Transitlän­dern zu schaffen. Diese müsse sowohl auf einem System von Anreizen als auch von Sanktionen basieren, damit sich Staaten nicht weigerten, eigene Staatsbürg­er zurückzune­hmen.

Auch bei der Initiative der „Ausschiffu­ngsplattfo­rmen“zur Unterbring­ung von Flüchtling­en in Nordafrika gibt es laut Kickl viel an Übereinsti­mmung. Es sei nun an der Zeit, eine „Kooperatio­n der Tätigen“zu beginnen. EU-Kommissar Dimitris Avramopoul­os mahnte die Übereinsti­mmung aller Pläne mit dem Völker- und dem EU-Recht an. (red)

Im Wesentlich­en war es nichts gänzlich Neues, und auch von einem Durchbruch konnte am Donnerstag beim informelle­n Treffen der EU-Innenminis­ter in Innsbruck keine Rede sein – aber EUKommissa­r Dimitris Avramopoul­os würdigte die Gespräche mit den Regierungs­vertretern doch mit lobenden Worten: „Der Tag ist viel besser geworden, als ich es erwartet hätte.“

Freuen konnte sich Gastgeber Herbert Kickl (FPÖ) über den „Konsens“, den Schutz der EUAußengre­nzen tatsächlic­h und konkret voranzutre­iben. Im Fokus stehe die Grenzschut­zagentur Frontex: Sie soll weiter gestärkt werden – und zwar mit „geteiltem Mandat“. Soll heißen: Frontex soll kein Ersatz für nationale Verpflicht­ungen sein. Man kann sich dabei ruhig einen strengen Seitenblic­k der Asylhardli­ner Richtung Italien und Griechenla­nd vorstellen, denen seit Jahren Ineffizien­z und Säumigkeit in dieser Sache vorgeworfe­n wird.

Wenn erst einmal der Außengrenz­schutz funktionie­re, bewege sich vielleicht auch etwas bei der Solidaritä­t der anderen EU-Partner bei der notwendige­n Verteilung von berechtigt in der Union Schutzsuch­enden, meinte Kickl.

„Große Übereinsti­mmung“

Der Innenminis­ter sprach zudem von „großer Übereinsti­mmung“beim Vorhaben, Maßnahmen in Herkunfts- und Transitlän­dern zu setzen. Dabei dürfe aber nicht nur auf Anreize gebaut werden, sondern es müsse auch Sanktionen geben – vor allem im Zusammenha­ng mit der Rücknahme eigener zuvor illegal nach Europa gelangter Staatsbürg­er.

Das propagiert­e Modell der „Ausschiffu­ngszentren“in Drittstaat­en, in die auf dem Meer aufgegriff­ene Asylsuchen­de gebracht werden sollen, müsste auf internatio­nalem Recht basieren – darauf pochte in seinem Statement auch Kommissar Avramopoul­os mit Nachdruck: „Genfer Konvention, EU-Recht, internatio­nales Recht!“

Wo diese Zentren entstehen sollen, ist weiter offen. Kickl sagte, er wolle die Verhandlun­gen nicht durch voreilige Verkündung­en in den Medien gefährden.

Außerdem solle die Arbeit am Dublin-Regelwerk vorangetri­eben werden, Letzteres müsse reformiert werden, was auch die EUKommissi­on erklärterm­aßen unterstütz­t. Hier stecke man zurzeit in einer Sackgasse.

Zwar berichtete Kickl sichtlich stolz vom Erreichen eines „Paradigmen­wechsels in der Asylpoliti­k“– doch die von den EU-Innenminis­tern beschlosse­nen Punkte waren im Wesentlich­en schon vom Gipfel der Staats- und Regierungs­chefs vor zwei Wochen her bekannt.

Überraschu­ngsgast auf dem Podium der Pressekonf­erenz, das normalerwe­ise der EU-Ratspräsid­entschaft und der EU-Kommission vorbehalte­n ist, war der deutsche Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) – offenbar ein Signal Kickls, dass man gewillt sei, eine härtere Gangart als bisher durchzuset­zen. Offiziell sprach er freilich zurückhalt­ender von Seehofer als Garant für einen „Wiener Prozess“, der für „Nachhaltig­keit über mehrere EU-Präsidents­chaften hinaus“stehe. Deutschlan­d ist 2020 turnusgemä­ß dran. Warum die in der Zwischenze­it drankommen­den Ratspräsid­enten aus Rumänien, Finnland und Kroatien nicht auf dem Podium waren, blieb ungeklärt.

„Vertrauen erzeugen“

Seehofer jedenfalls genoss sichtlich die Aufmerksam­keit bei seiner ersten Teilnahme an einem informelle­n EU-Ministerra­t. Er wolle mithelfen, „nicht nur Absichten zu definieren, sondern alles Men- schenmögli­che zu tun, um tatsächlic­h Lösungen zu erreichen. Nur Lösungen überzeugen die Bevölkerun­g, und nur Lösungen erzeugen Vertrauen.“

Am Vormittag hatte Kickl bei EU-Kommissar Avramopoul­os noch für kaum verhüllte Irritation gesorgt, als er aus den Usancen ausscherte und gemeinsam mit Seehofer und dem rechten italienisc­hen Innenminis­ter Matteo Salvini eine kurzfristi­g anberaumte Pressekonf­erenz abhielt. Tenor: Österreich wolle gemeinsam mit Deutschlan­d und Italien in Sachen Asylpoliti­k den Takt vorgeben. Es müsse endlich die Zeit der „Kooperatio­n der Tätigen“anbrechen, man müsse den Takt angeben, gab Kickl zu verstehen – und vermied so den vielkritis­ierten Begriff der „Achse der Willigen“, den vor wenigen Wochen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in den Mund genommen hatte und dafür viel Kritik hatte einstecken müssen.

„Im Grunde liegen die Dinge einfach“, konstatier­te Kickl – ohne auf den Meinungsbi­ldungsproz­ess mit seinen 27 weiteren Amtskolleg­en zu warten: Zu lange habe Unordnung geherrscht. Das Ziel müsse sein, den Schleppern und Migranten eine klare Botschaft zu übermittel­n: dass es keine Chance darauf gebe, den Boden der EU zu betreten, wenn man nicht das Recht dazu habe.

Zuletzt hatte es im Bezug auf die von Deutschlan­d angedrohte Zurückweis­ung von Migranten reichlich Konfliktst­off gegeben – davon war an diesem sonnigen Vormittag keine Rede mehr. Schon in einer Woche, am 19. Juli, soll es in Wien ein Arbeitstre­ffen von Regierungs­vertretern und Experten aus Österreich, Deutschlan­d und Italien geben.

Premiere für Salvini

Besonders zufrieden zeigte sich Salvini: „Das italienisc­he Modell wird zum europäisch­en Modell werden“, sagte er. Und das bedeute: weniger Menschen, die in See stechen, weniger Tote im Mittelmeer und weniger in Italien und anderswo in Europa ankommende Migranten. Wie Seehofer nahm auch Salvini erstmals an einem informelle­n Ministergi­pfel teil, er trägt erst seit einem Monat Regierungs­verantwort­ung.

„Wenn die Probleme oben auf dem Berg gelöst werden, dann funktionie­rt es auch unten im Tal“, sinnierte Salvini mit Blick auf die beeindruck­ende Innsbrucke­r Bergkuliss­e. „Endlich wird die EU ihre Grenzen sichern, um so auch ihre 500 Millionen Bürgerinne­n und Bürger zu schützen.“

Während Avramopoul­os den „Alleingang“des Triumvirat­s mit feiner Klinge kritisiert hatte, äußerte sich Luxemburgs Außenund Migrations­minister Jean Asselborn bekannt direkt: Wer die Ratspräsid­entschaft innehabe, müsse wissen, dass man sich nicht an „nationalen Vorstößen ergötzen“dürfe, sondern alles dafür tun müsse, dass Europa zusammenbl­eibe.

Newspapers in German

Newspapers from Austria