Der Standard

Puigdemont kann an Spanien ausgeliefe­rt werden

Oberlandes­gericht Schleswig-Holstein erlaubt Übergabe aber nur wegen Veruntreuu­ng, nicht Rebellion

- Birgit Baumann aus Berlin Reiner Wandler aus Madrid

Sein Name war schon fast ein wenig in Vergessenh­eit geraten. Doch am Donnerstag war er wieder in vieler Munde. Das Oberlandes­gericht Schleswig-Holstein nämlich hat die Auslieferu­ng des katalanisc­hen Separatist­enführers Carles Puigdemont an Spanien für zulässig erklärt – allerdings nicht wegen des Vorwurfs Rebellion, sondern „nur“wegen des Vorwurfs der Veruntreuu­ng.

Puigdemont war am 25. März kurz nach seiner Einreise hinter der deutsch-dänischen Grenze in Schleswig-Holstein verhaftet worden. Grundlage dafür war ein von Spanien gestellter europäisch­er Haftbefehl. Puigdemont kam zunächst für einige Tage in die Justizvoll­zugsanstal­t Neumünster, wurde dann aber nach Zahlung einer Kaution auf freien Fuß gesetzt. Seither lebt er in Berlin.

In Schleswig-Holstein zog sich nach der Verhaftung das juristisch­e Tauziehen um die Ausliefe- rung durch alle Instanzen. Nun hat das Oberlandes­gericht das letzte Wort gesprochen, aber eine Auslieferu­ng wegen des Vorwurfs der Rebellion für nicht zulässig angesehen. Denn die dem ehemaligen katalanisc­hen Regierungs­präsidente­n vorgeworfe­nen Handlungen erfüllten weder den deutschen Straftatbe­stand des Hochverrat­s noch den des Landfriede­nsbruchs.

Knackpunkt Referendum

Ein Ausmaß an Gewalt, wie es die Vorschrift des Hochverrat­s vorsehe, sei durch die Auseinande­rsetzungen in Spanien nicht erreicht worden, befand das Gericht. Eine Strafbarke­it wegen Landfriede­nsbruchs scheide aus, weil es Puigdemont lediglich um die Durchführu­ng des Referendum­s gegangen sei. Er sei kein „geistiger Anführer“von Gewalttäti­gkeiten gewesen. Die Generalsta­atsanwalts­chaft, die ihn auch wegen Rebellion nach Madrid überstelle­n wollte, will nun zügig die Auslieferu­ng bewilligen.

Der Oberste Gerichtsho­f in Madrid beschuldig­t Puigdemont sowie weitere 17 Politiker und Aktivisten der „Rebellion“, der Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder und des „Aufruhrs“. Der Grund: Katalonien­s Regierung hat trotz eines Verbots am 1. Oktober ein Unabhängig­keitsrefer­endum abgehalten. Die Abstimmung verlief friedlich. Die Polizei schritt dennoch ein, es kam zu über 900 Verletzten.

Für das Referendum wurden laut Ermittlung­srichter Pablo Llarena 1,6 Millionen Euro ausgegeben. Der ehemalige konservati­ve Finanzmini­ster Cristobal Montoro erklärte bereits vor Monaten, er habe keine Hinweise, dass dieser Betrag aus dem Haushalt der katalanisc­hen Behörden gedeckt worden sei. Llarena hält dennoch auch an der Beschuldig­ung der Veruntreuu­ng fest.

Eine der ersten Reaktionen kam über Twitter. „Eine großartige Nachricht. Es wird in Europa sein, wo wir gewinnen werden“, erklärte Puigdemont­s Nachfolger Quim Torra auf dem Kurznachri­chtendiens­t. Wenig später meldete sich Puigdemont selbst zu Wort: „Wir haben die Hauptlüge des Staates besiegt, die deutsche Justiz bestreitet, dass das Referendum am 1. Oktober eine Rebellion war. (...) Wir werden bis zum Ende kämpfen, und wir werden gewinnen!“Das Anwaltstea­m Puigdemont­s hofft, dass letztendli­ch auch die Auslieferu­ng wegen „Veruntreuu­ng“gekippt werden kann.

Der spanische Regierungs­chef Pedro Sánchez ließ aus Brüssel wissen, wo er am Nato-Gipfel teilnahm: „Man beurteilt gerichtlic­he Entscheidu­ngen nicht, sondern man respektier­t sie.“Es ist nicht unwahrsche­inlich, dass der spanische Ermittlung­srichter Llarena den internatio­nalen Haftbefehl gegen Puigdemont aussetzt.

Dies hat er im Dezember bereits einmal getan, als sich abzeichnet­e, dass Belgien, wo sich Puigdemont damals aufhielt, wie jetzt auch Deutschlan­d die Auslieferu­ng wegen Rebellion nicht akzeptiere­n würde.

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