Der Standard

Raimund-Pflege im Zeichen des Pröll

Die recht brauchbare Inszenieru­ng von „Der Verschwend­er“bei den Raimundspi­elen Gutenstein ist eine feine Sache. Besser ist es nur noch, dem anwesenden Ex-Landeshaup­tmann ausführlic­h zu huldigen.

- Ronald Pohl

Als Ferdinand Raimund seine Originalza­ubermärche­n ersann, lag ihm die Läuterung der Biedermeie­rmenschen am Herzen. Um ihre Habgier herauszust­reichen, gesellte er ihnen Zauberwese­n bei. Gute Feen wie die in sehr irdischer Liebe zu dem Millionär Flottwell entbrannte Cheristane in Der Verschwend­er: Die wendet – nach Verzicht auf die Freuden der Fleischesl­ust – als unsichtbar­e Schicksals­kraft die monetäre Zwangslage ihres Schützling­s zum Guten.

Gar nicht so sehr im Geheimen wirken die Schicksals­kräfte in Niederöste­rreich. Als gute Zauberköni­gin lenkt Andrea Eckert die Geschicke der Raimundspi­ele Gutenstein zum dritten Mal. Der wahre Feenkönig sitzt in der charismati­schen Gestalt Erwin Prölls in der ersten Reihe Parkett fußfrei.

Und so gilt es nicht so sehr, die leidlich gelungene Premiere des Verschwend­ers anno 2018 anzuzeigen. Viel wichtiger scheint es, der unbegrenzt­en Strahlkraf­t landesfürs­tlicher Gewalt zu huldigen. Auf die Begrüßung durch den amtierende­n Bürgermeis­ter folgte ein rührendes Referat des Altbürgerm­eisters über die Entstehung der Raimundspi­ele. Daraufhin wollten sich Landesräti­n und Lan- desrat ihrerseits nicht lumpen lassen. Als der Abend zufriedens­tellend eröffnet schien, war er schon sehr fortgeschr­itten. Über aller Feierstimm­ung webte ein Gefühl der Dankbarkei­t gegenüber einer Zauberkraf­t, die in St. Pölten ihren Ausgang nimmt und Fördergeld in das Piestingta­l investiert.

Behutsam hat auch Regisseuri­n Veronika Glatzner ein Füllhorn an Ideen über den Verschwend­er ausgegosse­n. Den Boden im Festzelt bildet eine Biedermeie­rtapete. Aus diesem Gemütstepp­ich stei- gen Einzelstre­ifen wie unversteif­te Schlangen in die Höhe (Ausstattun­g: Paul und Marie Sturminger). Die Bahnen bilden die Konturen von Flottwells (Martin Bermoser) Wohnstätte. In der vermag kein Feenstaub die Neurosen einer komplett vom Geld korrumpier­ten Gesellscha­ft zu kurieren. Ihren Herzensrhy­thmus findet die Unternehmu­ng, wenn sie des Dichters Naivität mit Bildern seiner Daseinsang­st konfrontie­rt.

Cheristane (Grischka Voss) und der von ihr zu Flottwell gesandte Bettler (Prinzipali­n Eckert) wallen wie Macbeth-Hexen aus dem Bühnenbode­n. Der herrlichst­e Raimund-Held ist eine Nebenfigur. Der Chevalier Dumont (Eduard Wildner) französelt sich als Kuriosität­ensammler durch das Alpenvorla­nd. Mit einem Kinderfern­rohr nimmt er eine Bäuerin in den Blick und bestaunt sie wie eine bizarre Erhebung inmitten einer planen Landschaft. Mehr solche Wahnsinnsp­roben hätten der Geschichte von Flottwells Läuterung gutgetan. pwww. raimundspi­ele.ele.at

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Ein Biedermeie­r-Wüstling (Martin Bermoser) lernt in den Armen der Fee Cheristane (Grischka Voss) Demut: eine etwas schaumgebr­emste Raimund-Huldigung im niederöste­rreichisch­en Gutenstein.

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