Standler gegen Kernöffnungszeit auf Wiens Märkten
Die neue Wiener Marktordnung befindet sich derzeit in Begutachtung. Bei vielen Marktstandlern stößt sie auf Kritik. Kernöffnungszeiten, Ablöse und Rauchverbot sorgen etwa für Unmut.
Es riecht nach frischem Teer. „Pfui, widerlich“, sagt eine ältere Frau mit kurzen grauen Haaren und Goldohrstecker. In der Schwendergasse wird neu asphaltiert, die Baustellengeräusche dominieren den kleinen Markt. Jeden Tag kommt die Frau zu dem Marktstand von Ivan Bankov und kauft dort ein. Die Holzwand von Bankovs Stand ziert ein Krickerl. Käse, Wurst und Gebäck sind in den Vitrinen platziert. Dazu gibt es Marillen- und Zwetschkenkuchen, den Bankovs Frau gebackenen hat, und ein Gespräch. „Zwei Drittel sind ältere Leute“, sagt er: „Stammkunden.“
Außer dem Stand von Bankov gibt es am Schwendermarkt noch zwei hölzerne Stände: Gegenüber steht die Hütte seiner Frau mit Gemüse und Obst. Ein Laden verkauft Marmeladen, Liköre und Ähnliches. Die Rollläden sind heruntergelassen. Dreimal pro Woche sei er geöffnet, sagt Bankov.
Mit Kernöffnungszeiten, wie sie die neue Marktordnung vorsieht, die bis Mitte August in Begutachtung ist, kann Bankov wenig anfangen. Um Leerstand auf Märkten zu verhindern, sollen Stände in Zukunft werktags von 15 bis 18 Uhr, am Samstag von 8 bis 12 Uhr geöffnet sein. „Das finde ich nicht in Ordnung“, erzählt Bankov. Seit fünf Jahren sei er von Dienstag bis Freitag am Schwendermarkt, von acht bis 19 Uhr, am Samstag sei er zusätzlich am Naschmarkt. „Den Montag brauche ich für Einkäufe“, sagt der Mittfünfziger.
Die Bioprodukte besorge er nur bei Produzenten, die er kenne, Teile des Gemüses kommen aus dem eigenen Anbau. Zu jeder Zwetschke, Kirsche oder Tomate kann Bankov eine Geschichte erzählen: Sie kommen vom Nachbarsgarten, sind selbst angebaut oder wurden von Freunden aus dem Burgenland gekauft, Gärtner in der vierten Generation. „Das ist gute Ware, sie ist immer frisch. Im Supermarkt, da ist alles schon tagelang verpackt“, sagt die grauhaarige Frau.
„Auf unseren Markt strömen die Leute nicht gerade“, sagt Stefan Rom vom Landkind. Ein Marktstand mit Nebenrechten – sprich den im vergangenen Jahr diskutierten acht Verabreichungsplätzen. Viele gehen am Markt vorbei zur Straßenbahnhaltestelle. Die Tische vor dem Laden würden Kunden anlocken. Und: „Wir verwenden nur Produkte, die es auf dem Markt zu kaufen gibt“, sagt Mitbetreiberin Nina Strasser.
Die Kernöffnungszeiten kratzen die Betreiber des Ladens wenig. Am Schwendermarkt verfolge man aktuell ein gegenteiliges Konzept: Am kleinen Markt, der werktags nur mäßig in die Gänge zu kommen scheint, werden die Ruhetage abgestimmt: „Wir wollen, dass jeden Tag jemand offen hat“, sagt Strasser. Die Zwangszeiten seien schlecht angelegt. „Das ist die ruhigste Zeit. Das Mittagessen ist vorbei, viele sind noch in der Arbeit“, sagt Strasser.
Gegen Ablöse und Befristung
Was die Betreiber im Landkind jedoch mehr stört, sind die Befristungen bei der Standvergabe. So sollen künftig fixe Marktstände nur noch auf 15 Jahre zugewiesen werden – mit Verlängerungen um jeweils zehn Jahre. Die Ablöse für den Stand wird auf nachweisbare Investitionen oder ein Gutachten beschränkt. Ein Stand habe aber auch andere Werte. „Man baut einen Laden auf, mit dem Stand kommen die Stammkunden“, so Strasser.
Auch am Meidlinger Markt, der in den vergangenen Jahren neu erstrahlt ist, ist man unzufrieden. Neun Punkte listen die Standler in ihrer Stellungnahme auf. Statt der täglichen Kernzeiten schlagen sie vor, dass Stände an mindestens fünf Tagen und insgesamt mehr als 25 Stunden pro Woche geöffnet haben sollen.
Neben Ablöse und Befristung wird etwa auch die Kategorisierung der Wirtschaftstreibenden in Gastro, Marktstand und Stand mit Nebenrechten abgelehnt: Eine Weiterentwicklung von Standkonzepten würde unterbunden, die Nebenrechte sollten lieber klarer definiert werden.
Der grüne Marktsprecher Rüdiger Maresch versteht die Bedenken zu den Kernöffnungszeiten, doch brauche es klare Regelungen. Eine Reduzierung der vorgeschriebenen Öffnungstage kann er sich nicht vorstellen: „Es sind pro Tag drei Stunden. Da kann man auch am Vormittag zum Großmarkt fahren“, sagt Maresch zum STANDARD. Viele Stände würden als billige Lager genutzt und würden immer die Rollläden heruntergelassen haben. „Wir wollen, dass die Märkte funktionie- ren, dass sie belebt werden. Eine andere Möglichkeit haben wir nicht gesehen.“
Die zuständige Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) ist über die Kritik verwundert: „Die Kernöffnungszeiten sind sehr moderat und waren auch ein Wunsch der Bezirke.“Gerade für Konsumenten sei es wichtig, eine Zeit zu haben, zu der alle Geschäfte offen stünden, sonst würden sie erst in den Supermarkt gehen. Bei der Kernzeit gebe es aber „Spielraum“, sagt Sima dem STANDARD: „Die Idee ist, dass Menschen nach der Arbeit am Stand einkaufen können.“