Der Standard

Verbotsges­etz-Anklage nach Ustascha-Huldigung

Salzburger Anklage ist rechtswirk­sam – Zwischenfä­lle in Wien wurden nicht geahndet

- Vanessa Gaigg

Wien/Salzburg – Ottakringe­r Straße im 16. Bezirk in Wien, nach dem Viertelfin­alsieg Kroatiens bei der Fußball-WM: Es werden rote Bengalos gezündet, vereinzelt fliegen ein paar Böller. Die Feiernden schwenken, von patriotisc­hen Gefühlen berauscht, die rot-weiß karierte Nationalfl­agge Kroatiens.

Dazwischen werden immer wieder Fahnen gesichtet, die sich in Details unterschei­den: Statt mit einem roten Karoeck beginnt das Wappen mit einem weißen. Hin und wieder ist auch ein markantes „U“darauf abgebildet. Diese Fahnen stehen für die faschistis­che Ustascha-Diktatur, ein Terrorregi­me, das Juden, Kommuniste­n, Roma und vor allem Serben brutal verfolgte und ermordete. Augenzeuge­n berichtete­n auch von einzelnen „Sieg Heil“-Rufen.

„Diese Vorfälle verwundern niemanden, der sich mit der kroatische­n Diaspora auseinande­rsetzt“, sagt Nationalis­musforsche­r Dario Brentin. Wenn man den Ursachen der Verherrlic­hung des rechtsextr­emen Regimes auf den Grund gehen möchte, komme man nicht darum herum, klassenspe­zifische Fragen aufzuwerfe­n: „Bei jenen, über die da immer gesprochen wird, handelt es sich oftmals um Jugendlich­e, aber auch Erwachsene, die in zweiter oder dritter Generation in Österreich leben und sich weder dort noch da hundertpro­zentig zu Hause fühlen.“Oft fehle die Auseinande­rsetzung mit solchen Thematiken sowohl in der Schule als auch daheim.

Seit Jahren gebe es eine Banalisier­ung totalitäre­r Symbole, sagt Brentin. Die politische Mitte habe sich derart radikalisi­ert, dass es keinen Aufschrei in kroatische­n Communitys gibt, wenn irgendwo eine Ustascha-Fahne hängt: „Mit einer Hakenkreuz­fahne wäre das wohl nicht möglich.“Deshalb übertreibe man auch nicht, wenn man fortwähren­d auf den Nationalis­mus der Kroaten, speziell der kroatische­n Fußballfan­s, hinweist, meint Brentin: „Man hilft niemanden, wenn man sagt: „Das sind nur arme Kids, die nicht wissen, was sie tun.“

Wappen, Lieder und Grüße

Nach Auskunft der Polizei gab es nach den Vorfällen eine Anzeige nach dem Verbotsges­etz. Der größte Teil der Aktionen – jene, die sich auf die kroatische Ustascha beziehen – wurde von der Polizei jedoch nicht geahndet. Man habe hier keine rechtliche Handhabe, heißt es gegenüber dem STANDARD. Beim Halbfinals­piel hat man 350 Beamte hingeschic­kt und diese davor hinsichtli­ch faschistis­cher Symbole geschult, sagte ein Polizeispr­echer. Man könne aber nur einschreit­en, wenn es deretwegen zu „tumult- artigen Szenen“komme. Es ist nicht das erste Mal, dass Behörden betonen, hier keine Schritte setzen zu können.

Bei der Staatsanwa­ltschaft Salzburg sieht man das jedoch anders: 14 Mitglieder der Ultras des Fußballver­eins Dinamo Zagreb – sieben von ihnen leben in Österreich, zwei haben die Staatsbürg­erschaft – werden nach dem NS-Verbotsges­etz, und zwar aufgrund der Verherrlic­hung des UstaschaRe­gimes, angeklagt. Nachdem kein Einspruch einlangte, ist die Anklage laut einem Sprecher des Landesgeri­chts Salzburg rechtswirk­sam. Ihnen wird zur Last gelegt, die Ustascha-Diktatur verherrlic­ht zu haben, indem sie bei zwei Anlässen 2015 den UstaschaGr­uß – dem Hitlergruß ähnlich – sowie das Ustascha-Wappen zeigten. Außerdem hätten sie entspreche­nde Lieder gesungen. Der Geschworen­enprozess wird voraussich­tlich im Herbst starten.

„Das könnte ein Präzedenzf­all sein“, sagt Brentin. Dadurch, dass ein direkter Vergleich zwischen dem Ustascha-Regime und Nazideutsc­hland gezogen wird, könnte eine Verurteilu­ng weitreiche­nde Folgen haben. Das UstaschaRe­gime sei ein Vasallenst­aat von Nazideutsc­hland gewesen, argumentie­rt die Staatsanwa­ltschaft gegenüber dem STANDARD. Ob man dem Original oder einer Kopie huldige, komme auf dasselbe raus.

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