Der Standard

Österreich häufig säumig bei Umsetzung von EU-Recht

Brüssel leitete 62 Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Wien ein, weil Vorgaben nicht oder unvollstän­dig umgesetzt wurden

- Günther Oswald

Wien – Die türkis-blaue Regierung hat zum großen Ausmisten aufgerufen. Die diversen Interessen­vertretung­en sollten beim Justizmini­sterium einmelden, in welchen Bereichen Österreich aus ihrer Sicht EU-Mindeststa­ndards übererfüll­t. Satte 489 Beispiele wurden für diese Anti-Gold-Plating-Initiative gesammelt, darunter die von der Wirtschaft­skammer nominierte fünfte Urlaubswoc­he, die, wie berichtet, prompt für heftige Kritik sorgte.

Österreich ist aber keineswegs nur Vorzugssch­üler und Übererfüll­er von EU-Regelungen. Die EU-Kommission gibt jedes Jahr einen Bericht heraus, in dem sie genau untersucht, wie eifrig die Mitgliedst­aaten europäisch­es Recht umsetzen.

Aus dem am Donnerstag veröffentl­ichte Jahresberi­cht für 2017 geht hervor, dass Ende des Vorjahres satte 62 Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Österreich liefen, weil EU-Vorgaben entweder zu spät oder unvollstän­dig umgesetzt wurden.

Im europäisch­en Vergleich liegt die Republik damit im oberen Drittel in Sachen Säumigkeit. Die meisten Verfahren laufen gegen Spanien (93), gefolgt von Portugal (85) und Belgien (81). Jenes Land, das aus Brüsseler Sicht am wenigsten Probleme bei der Rechtsumse­tzung verursacht, ist Dänemark, gegen das lediglich 28 Vertragsve­rletzungsv­erfahren laufen.

Nicht selten landen heikle Fälle auch beim Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH). Ein paar Auszüge aus den prominente­ren österreich­ischen Causen: Im Streit um die Zu- ständigkei­t für Asylverfah­ren nach dem Dublin-System blitzte die Republik beim EuGH ab. Er stellte fest, dass die Zuständigk­eit für das Verfahren an Österreich übergeht, wenn ein Flüchtling nicht binnen sechs Monaten an ein anderes EU-Land überstellt wird.

Für Schlagzeil­en sorgte auch ein Urteil, wonach anerkannte­n Umweltschu­tzorganisa­tionen ein Mitsprache­recht in Wasserrech­tsverfahre­n gewährt werden muss. Bei Umweltthem­en wird Österreich generell häufig gerügt. Von den 28 Vertragsve­rletzungs- verfahren, die im Vorjahr eingeleite­t wurde, entfielen allein acht auf diesen Bereich.

Dieser Trend hat sich auch heuer fortgesetz­t. Erst im Mai klagte die Kommission, weil das Land Niederöste­rreich – auf Drängen der Jägerschaf­t – die Jagd auf Waldschnep­fen während ihrer Brutund Aufzuchtze­it genehmigt hatte. Waldschnep­fen gehören allerdings zu den geschützte­n Vogelarten, weshalb Brüssel einen Verstoß gegen EU-Vorschrift­en über die Erhaltung von wildlebend­en Vogelarten sieht.

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