Der Standard

Theresa May warnt Tory-Rebellen vor Scheitern des Brexits

Regierungs­chefin verteidigt Austrittsp­läne Trump habe ihr geraten, die EU zu klagen

- Sebastian Borger aus London

London – Trotz der massiven Kritik des Anti-EU-Flügels der Tories schwört Großbritan­niens konservati­ve Premiermin­isterin Theresa May ihre Landsleute auf ihren vergleichs­weise moderaten BrexitKurs ein. „Meine Botschaft an das Land dieses Wochenende ist einfach: Wir müssen im Blick behalten, was auf dem Spiel steht“, schrieb sie auf Facebook: „Wenn wir das nicht tun, riskieren wir, am Ende ganz ohne Brexit dazustehen.“Nur ein geregelter Ausstieg aus der EU mit anschließe­nd weiterhin engen Handelsbez­iehungen sei der richtige Weg, betont May. Vergangene Woche sind Brexit-Minister David Davis und Außenminis­ter Boris Johnson aus Protest gegen diesen Kurs zurückgetr­eten. Sie warnten, dass Großbritan­nien keine Handelsabk­ommen mit anderen Staaten werde abschließe­n können und daher nicht wirklich von der EU unabhängig sein werde.

Eine ähnliche Position vertrat auch US-Präsident Donald Trump vor wenigen Tagen in einem SunIntervi­ew. May habe sich nicht an seine Empfehlung­en zum Brexit gehalten, kritisiert­e Trump darin. Am Sonntag ließ May die Welt wissen, was Trump ihr geraten hatte: Sie sollte die EU klagen, statt mit ihr langwierig zu verhandeln. Auf welcher Basis London klagen könnte, ließ Trump allerdings offen. (red)

Kaum hatte US-Präsident Donald Trump ihren Landsitz Chequers verlassen, widmete sich Theresa May wieder ihrer Kernaufgab­e: dem Kampf um ihre neue BrexitStra­tegie – und damit auch um ihr Überleben im Amt der Premiermin­isterin. Heute, Montag, drohte ihr neues Ungemach: In seiner Zeitungsko­lumne wollte der zurückgetr­etene Außenminis­ter Boris Johnson sein Schweigen brechen, ehe er am Nachmittag im Unterhaus eine Rücktritts­erklärung abgeben sollte. Hardliner drängen den Brexit-Vormann zum Aufstand: „Eine weitere Chance bekommt er nicht.“

Nachdem sie in Chequers einflussre­iche Hinterbänk­ler umgarnt hatte, ging May am Sonntag in einer Zeitungsko­lumne und live im BBC-Studio in die Offensive: Wer ihr Knüppel zwischen die Beine werfe, riskiere den EU-Austritt; schließlic­h stehe die LabourOppo­sition unter Jeremy Corbyn zur Machtübern­ahme bereit. Einwände wischte die Premiermin­isterin beiseite: „Viele Leute haben mit dem Herzen abgestimmt. Ich muss kühlen Kopf bewahren und praktisch bleiben.“

Damit meint May das BrexitWeiß­buch, dessen Inhalt Johnson und Brexit-Minister David Davis zum Rücktritt veranlasst­e. BrexitUltr­a Jacob Rees-Mogg nennt das 98-seitige Schriftwer­k verächtlic­h „das Kapitulati­onspapier“. Die Unruhe bei jenen, die vor gut zwei Jahren das Austrittsv­otum (52 zu 48 Prozent) anführten, ist mit Händen zu greifen.

Mays Ideen von einem „Assoziatio­nsabkommen“, vom Verbleib in einer Freihandel­szone für Güter unter einem „gemeinsame­n Regelwerk“, von der „angemessen­en Aufmerksam­keit“, die britische Gerichte auch zukünftig den Entscheidu­ngen des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH) widmen sollen – all dies ergibt einen viel weicheren Brexit, als ihn May und ihre Partei bisher mit dem Austritt aus Zollunion und Binnenmark­t verfolgt hatten.

Labour liegt deutlich vorn

Der Kurswechse­l ist dem lauter werdenden Einspruch aus der Industrie und der harten Brüsseler Verhandlun­gsposition geschuldet. Doch Realismus steht bei vielen Tory-Mitglieder­n und -Wählern nicht sonderlich hoch im Kurs. Umfragen spiegeln einen alarmieren­den Verlust an Vertrauen in die Politik der Premiermin­isterin wider. Erstmals seit Monaten liegt die Labour-Opposition mit bis zu fünf Punkten Abstand vor der konservati­ven Regierungs­partei; Opi- nium zufolge bekennen sich zudem plötzlich wieder acht Prozent der Briten zur zuletzt kaum noch wahrnehmba­ren Ukip. Deren langjährig­er Vorsitzend­er Nigel Farage kündigte kürzlich seine Rückkehr in die aktive Politik an.

Wie früher Farage zog diesmal Johnson ein Lob des US-Präsidente­n auf sich: „Boris Johnson wäre ein großartige­r Premiermin­ister“, meinte Trump in Mays Beisein. Ob dieses Kompliment hilfreich ist? Gebannt wartet das politische London jedenfalls auf die erste Kolumne des gelernten Journalist­en, die Johnsons Leib-und-Magen-Blatt Daily Telegraph für Montag ankündigte. In seinem Rücktritts­schreiben hatte der 54-Jährige den „sterbenden Brexit-Traum“und Großbritan­niens zukünftige­n Status als „Kolonie“der EU beschworen.

Für eine Herausford­erung der Premiermin­isterin bleibt wenig Zeit. Schon in zehn Tagen begibt sich das Parlament in die Sommerferi­en; bis dahin müsste die Vertrauens­abstimmung in der Fraktion über die Bühne gegangen sein, die schon 48 von 316 Tories durch Briefe an den zuständige­n Parteiobma­nn auslösen können.

May will kämpfen

Mays Lager gibt sich kämpferisc­h – und tatsächlic­h wirkt unwahrsche­inlich, dass sich eine Mehrheit der Unterhausf­raktion hinter dem als unzuverläs­sig und sprunghaft geltenden, zudem mit privaten Problemen behafteten Johnson versammelt.

Vor allem aber müssten der einstige Brexit-Vormann oder der ebenfalls zurückgetr­etene BrexitMini­ster Davis eine Alternativ­e zum neuen Regierungs­plan vorlegen. Vielleicht wollen sie Trumps Idee in die Tat umsetzen? Der USPräsiden­t, verriet May der BBC mit maliziösem Lächeln, habe ihr „geraten, die EU zu verklagen“, anstatt mit Brüssel zu verhandeln.

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Foto: Reuters / Toby Melville Boris Johnsons Zeit als Außenminis­ter ist abgelaufen.

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