Der Standard

WGKK-Prüfer könnten Job verlieren

Die Regierung will die Prüfung der Sozialabga­ben allein in die Hände der Finanz legen. Wiens Krankenkas­sen-Chefin warnt vor sündteuren Folgen: Die eigenen Prüfer seien beim Eintreiben von Millionen viel erfolgreic­her.

- Gerald John

Schickt Richard Nowatschek seine Leute los, kann es für besuchte Firmen teuer werden. 66 Prüfer unterstehe­n dem Abteilungs­leiter bei der Wiener Gebietskra­nkenkasse (WGKK), allesamt darauf spezialisi­ert, unbezahlte Steuern und Abgaben einzutreib­en. Nicht abgeführte Sozialvers­icherungsb­eiträge, falsch abgerechne­tes Urlaubsent­gelt, kostengüns­tig als Scheinselb­stständige eingestuft­e Mitarbeite­r zählten zu den Klassikern, berichtet Nowatschek, wobei die Mehrzahl der Fehler unabsichtl­ich passiere: „Manche Dienstgebe­r sind sogar froh, dass wir sie aufklären.“

Nachzahlen muss am Ende freilich jeder Ertappte, und das waren im Vorjahr nicht wenige. Laut WGKK spielte das Team 2017 rund 62 Millionen an Nachträgen ein, eine runde Million pro Prüfer.

Dennoch droht Nowatschek­s Abteilung die Auflassung. Denn wie von der Regierung beschlosse­n, soll künftig ausschließ­lich die Finanzbehö­rde für die Prüfung zuständig sein. Im Streit um die mögliche Auflösung der Unfallvers­icherungsa­nstalt AUVA (siehe rechts) und aufgrund anderer „Aufreger“der Sozialvers­icherungsr­eform ging dieser Punkt etwas unter, doch die Folgen könnten dramatisch sein, warnt die WGKK-Obfrau Ingrid Reischl im STANDARDGe­spräch: „Den Krankenkas­sen drohen enorme Verluste.“

Dazu muss man wissen, dass die Finanzämte­r und Gebietskra­nkenkassen die Abfuhr der lohnabhäng­igen Abgaben seit 15 Jahren gemeinsam überprüfen. In der Regel wechselten sich die Teams ab, erläutert Nowatschek, beide Seiten arbeiteten nach demselben Prinzip. Überprüft wird nicht nur, ob die Dienstgebe­r zum festgesetz­ten Entgelt die Abgaben zahlen, sondern auch nach dem sogenannte­n Anspruchsp­rinzip: etwa ob ein Arbeitnehm­er laut Kollektivv­ertrag richtig eingestuft ist oder alle Extrazahlu­ngen erhält.

Wer am strengsten prüft

Dennoch sind die beiden Institutio­nen beim Prüfen nicht gleich erfolgreic­h – das zeigen zumindest Zahlen aus dem Hauptverba­nd der Sozialvers­icherungst­räger. Demnach haben die 248 Prüfer aller Gebietskra­nkenkassen im Vorjahr österreich­weit 197,2 Millionen Euro an unbezahlte­n Steuern und Abgaben „gefunden“, macht gut 795.000 Euro pro Kopf. 231 Finanzer kamen hingegen „nur“auf 141,4 Millionen, ergo 612.000 Euro pro Person.

Zurück bleibt die Finanzverw­altung auch dann, wenn man den Erfolg mit den vorab vereinbart­en Zielvorgab­en vergleicht. Die Prüfer der Krankenkas­sen landeten im Vorjahr um 1,2 Millionen über dem Sollwert, jene der Finanz um 47,6 Millionen darunter. Nicht anders war das Bild 2016 oder auch vor fünf Jahren, anno 2012: Die Kassen lagen über dem Soll, die Finanzbeam­ten darunter.

Seit 2007 lägen die Prüfer aus der Sozialvers­icherung permanent im Plus, rechnet man im Hauptverba­nd vor. Die Kollegen von der Finanz hingegen verbuchten mit Ausnahme der Jahre 2010 und 2011 immer ein Minus.

Das Finanzmini­sterium kontert auf Nachfrage mit einer Gegenrechn­ung, die auf den Erfolg pro Fall abstellt: Laut dieser Daten holten die Prüfer der Finanz 2017 pro Fall im Schnitt rund 14.300 Euro, während die Prüfer der Gebietskra­nkenkassen etwa 13.600 Euro schafften. Das bedeute, dass die Finanz mit weniger Personal in der Arbeit effiziente­r sei, heißt es aus dem Büro von Finanzmini­ster Hartwig Löger (ÖVP). Konzi- lianter Nachsatz: Erfolgreic­h seien die Prüfer beider Seiten.

Warum das System dann geändert werden müsse? Sowohl Finanz- als auch Sozialmini­sterium argumentie­ren mit Synergieef­fekten: Eine gemeinsame Behörde, in der die Prüfer beider Institutio­nen zusammenge­fasst werden, verspreche mehr Effizienz.

Die Erfolgsbil­anz der Krankenkas­sen spreche klar dagegen, argumentie­rt hingegen Reischl und vermutet hinter der Aktion das Ziel, die Sozialvers­icherung Schritt für Schritt in die direkte Kontrolle des Staates zu ziehen: Zu einer Selbstverw­altung, wie sie jetzt noch besteht, gehöre nun einmal das Recht, die Beiträge selbst einzuheben und zu prüfen.

Inoffiziel­l kursiert in der Sozialvers­icherung noch ein Verdacht: Durch die mildere Prüfung der Finanz, die das Anspruchsp­rinzip traditione­ll nicht so stark intus habe, wolle die Regierung Unternehme­n ein Geschenk machen.

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Schicken die Krankenkas­sen mit Aktenkoffe­r bewaffnete Prüfer los, kann das für Firmen teuer werden. Doch nun soll die Sozialvers­icherung dieses Recht verlieren – um Unternehme­r zu schonen?

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