Der Standard

KOPF DES TAGES

Frankreich­s Wasserträg­er ist Weltmeiste­r

- Martin Schauhuber

Didier Deschamps jubelte. Er hatte seine Franzosen als Kapitän zum Weltmeiste­rtitel geführt, das Finale gegen Brasilien war mit 3:0 eine klare Sache. Parallelwe­lt? Nein, 1998. Nun gelang Deschamps der Titel auch als Trainer, dieses „Double“schafften zuvor nur Franz Beckenbaue­r und Mario Zagallo.

„Wasserträg­er“hatte sein Teamkolleg­e Éric Cantona den defensiven Mittelfeld­spieler abschätzig genannt. Schon als Aktiver waren nicht Glitzer und Feuerwerk Deschamps’ Metier: Er gewann Bälle, zog Fäden, eine Eminenz mit Sinn für die richtige Entscheidu­ng. „Ich habe den Fußball nie des Spielens wegen gespielt, sondern immer des Gewinnens wegen.“Ein Satz, für den man in Brasilien verdammt würde, ein Glaubensbe­kenntnis, das Frankreich nun neuerlich zum Weltmeiste­r gemacht hat.

Deschamps hatte in Russland eine Offensivab­teilung wie aus einer Weltauswah­l zur Verfügung, ließ sein Team aber kühlen, abwartende­n Fußball spielen. Seit 2012 ist er Teamchef von „Les Bleus“, seine Herrschaft fiel dankbar mit dem Erwachsen einer herausrage­nden Spielergen­eration zusammen. „DD“formte aus dieser ein Team, Ego-Eskalation­en wie die Trainingsm­euterei bei der WM 2010 sind un- denkbar, Starstürme­r Karim Benzema musste dem Teamgeist zuliebe zu Hause bleiben. Der 49-Jährige nahm nicht die besten Kicker mit nach Frankreich – er nahm die richtigen.

Der „General“hat 23 Zauberfußb­aller zu kickenden Zinnsoldat­en geschmolze­n, zu 23 unterschie­dlichen Inkarnatio­nen seiner eigenen Spielerper­sönlichkei­t. Jeder hat andere Qualitäten, aber jeder tut exakt, was geplant ist. Im System des in Bayonne geborenen Basken rackert Sturmspitz­e Olivier Giroud im Stil eines Innenverte­idigers.

Deschamps war nicht immer ein Disziplinf­anatiker. Als Jungprofi in Nantes führte er „kein sehr gesundes Leben“, war Stammgast im Wirtshaus. Erst das Kennenlern­en seiner späteren Frau Claude hat den damals 18-Jährigen „beruhigt“, wie er sagt. Von Nantes wechselte der 1,69 Meter große Mittelfeld­mann zu Marseille, er wurde dort zweimal Meister und war 1993 der jüngste Kapitän eines Champions-League-Siegers.

Deschamps’ mit je einem WM- und EM-Titel dekorierte Spielerkar­riere endete 2001, 2004 führte der Vater eines Sohnes den AS Monaco bei seiner ersten Trainersta­tion sensatione­ll in das Champions-League-Finale. Derartige Erfolge konnte er nicht wiederhole­n – bis 2018.

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Foto: Reuters Trainer Didier Deschamps führte Frankreich zum zweiten Weltmeiste­rtitel.

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