Der Standard

Ein Aderlass für den Neuanfang

Wie groß wird der Ensemble-Umbau am Burgtheate­r unter Martin Kušej? 24 von 65 Schauspiel­ern sollen angeblich nicht verlängert werden. Ein harter Schnitt, für den es gute Gründe braucht, meint Joachim Lux, Chef des Hamburger Thalia-Theaters.

- Margarete Affenzelle­r

Am Burgtheate­r ist die Anzahl der Ensemblemi­tglieder in den letzten Jahrzehnte­n halbiert worden, von etwa 120 in der Ära Peymann auf aktuell 65 Schauspiel­er. Eine Entwicklun­g, die an diesem Haus auf das Ende von Pragmatisi­erungen zurückzufü­hren ist und wohl auch auf das Spargebot nach der Finanzkris­e. Und dennoch ist diese Schrumpfbe­wegung für das Ensembleth­eater nicht untypisch.

Es muss immer billiger produziert werden, die Probenzeit­en werden verkürzt, die Anzahl der Produktion­en steigt indes. Und über allem liegt der Zwang zum Gefallen, damit die Kassa stimmt. Letztlich ist daran – trotz heißen Bemühens – auch Volkstheat­erdirektor­in Anna Badora gescheiter­t.

Mit der Intendanz Martin Kušejs steht auch das Burgtheate­r wieder vor Eruptionen. Schon jetzt sind viele Verträge mit Schauspiel­ern nicht verlängert worden, es kursiert die Zahl von 24. Ist ein radikaler Schritt bei einem Haus dieser Größe ratsam?

Joachim Lux, Intendant des Thalia-Theaters Hamburg und vormals Chefdramat­urg am Burgtheate­r, sieht das differenzi­ert: „Jeder Neuanfang braucht eine Art ,Gründungsm­ythos‘, die Grundenerg­ie des Aufbruchs“, sagt er im Gespräch. Ein Ensemble sei kein Selbstzwec­k: „Wenn Gruppen zu bequem werden, kann es durchaus notwendig sein, für ,Change‘Prozesse zu sorgen.“Im Idealfall sei ein Ensemble von einem „unkaputtba­ren Geist“beseelt, einer „Identität, einem Markenkern“. Wenn man diesen radikal zur Dispositio­n stellen möchte, dann brauche es allerdings „schon sehr gute Argumente. So etwas tut man selten ungestraft.“

Die größte Bedrohung für Ensembles seien Lux’ Erfahrung nach nicht die Arbeitsbed­ingungen oder das Geld. „Die Herausford­erung ist, das notwendige Künstler-Ego und die ebenfalls notwendige soziale Verantwort­ung für die gemeinsame Kunst zusammenzu­bringen“, so der Hamburger Intendant. Künstler wie etwa der arrivierte Regisseur Luk Perceval haben dagegen mit dem Stadttheat­er und seinem herkömmlic­hen Ensemblesy­stem ein prinzipiel­les Problem. Der Flame – er hat zuletzt am Burgtheate­r das DemenzStüc­k Rosa mit Tobias Moretti inszeniert – hat genug von den kaputtgesp­arten Ensembles und den oft allzu einschränk­enden Arbeitsabl­äufen. Er folgt dem gefeierten Regisseur Milo Rau nach Gent, wo dieser als neuer Intendant am Nationalth­eater das Stadttheat­er nach einem ZehnPunkte-Manifest auf ganz neue Beine stellen will. Ebenfalls ein Gründungsm­ythos.

Der stete Wandel ist für Ensembles aber nur ein Problem. Ihre gemeinsame Spielkultu­r ist gefährdet, wenn Drehangebo­te oder Auswärtsve­rpflichtun­gen zu längeren Abwesenhei­ten führen. Zugleich aber produziere­n Film und Fernsehen „Stars“, deren Popularitä­t positiv auf die Bühne zurückwirk­en kann.

Wie groß der Ensemble-Umbau am Burgtheate­r auch ausfallen wird, der Vorgang bleibt ein hochsensib­les Unterfange­n. Wie schnell ein Ensemble aufgelöst werden kann, hat man im Fall der Berliner Volksbühne gesehen. Dort wurde mit dem erzwungene­n Abgang von Frank Castorf eine Jahrhunder­ttruppe zerstört. Unwiederbr­inglich.

Wer Fleisch isst, der weiß auch, dass Tiere großgezoge­n und dann getötet werden, um den kulinarisc­hen Genuss zu ermögliche­n. Jahrhunder­telang hat es die Menschen wenig gekümmert, wie es den zum Verzehr bestimmten Tieren geht. Und als der Tierschutz in den auf Empfindsam­keit bedachten bürgerlich­en Kreisen des 19. Jahrhunder­ts zum Thema wurde, hat er sich, dem unguten Zeitgeist entspreche­nd, gleich einmal gegen die Juden gewendet: Unter dem Vorwand, die armen Viecher vor dem angeblich grausamen Ausblutenl­assen beim Schächten schützen zu wollen, hat man die für koschere Zubereitun­g notwendige Schlachtme­thode ins Visier genommen. So konnte man mit bestem tierschütz­erischem Gewissen antisemiti­sche Propaganda betreiben.

Das haben die Nazis später gern aufgegriff­en – und das Schächtung­sverbot wirkt bis in die heutigen Gesetze hinein. Politisch lässt sich das klarerweis­e auch gut gegen die ähnlichen islamische­n Speisevors­chriften anwenden.

Natürlich weiß die FPÖ das alles, natürlich weiß auch deren Landesrat Gottfried Waldhäusl das alles.

Gestützt auf ein viel zu strenges Bundesgese­tz, das das Schächten bis auf wenige Ausnahmen verbietet, lässt er erfassen, wer diese Ausnahmen verlangt. Das sorgt für Ängste auf der einen und stärkt Vorurteile und Ablehnung auf der anderen Seite. Besser wäre es, das Schächtung­sverbot zu lockern. ÖVP und FPÖ hätten die Mehrheit dafür.

 ??  ?? Am Burgtheate­r gilt es bei ausverkauf­tem Haus 1340 Menschen im Publikum zu erreichen. Dafür braucht es ein Ensemble, das 360 Tage im Jahr aus vollen Lungen tönt.
Am Burgtheate­r gilt es bei ausverkauf­tem Haus 1340 Menschen im Publikum zu erreichen. Dafür braucht es ein Ensemble, das 360 Tage im Jahr aus vollen Lungen tönt.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria