Spanien zieht Haftbefehl gegen Puigdemont zurück
Deutschland wollte nicht auf Straftatbestand der „Rebellion“eingehen – Richter Llarena empört
Der spanische Ermittlungsrichter am Obersten Gerichtshof, Pablo Llarena, verzichtet auf die Auslieferung des ehemaligen katalanischen Regierungschefs Carles Puigdemont. Llarena hatte im Zusammenhang mit dem katalanischen Unabhängigkeitsreferendum im Oktober 2017 einen europäischen Haftbefehl wegen „Rebellion“und „Veruntreuung öffentlicher Gelder“erlassen.
Das zuständige Oberlandesgericht Schleswig-Holstein (OLG) stimmte der Auslieferung zu, allerdings nur wegen „Veruntreuung“. „Rebellion“sehen die deutschen Richter als nicht gegeben. Denn dazu ist schwere Gewalt notwendig.
Ein Verfahren wegen Veruntreuung genügt Llarena nicht. Er zog deshalb den europäischen und internationalen Haftbefehl gegen Puigdemont und weitere fünf katalanische Politiker in Belgien, Schottland und der Schweiz zurück. Die Höchststrafe bei Veruntreuung sind acht Jahre, auf Rebellion stehen 30 Jahre.
Puigdemont kann nun frei reisen, laut seinem Anwalt will er kommende Woche nach Belgien zurückkehren. Nur nach Spanien können er und die anderen Betroffenen nicht zurück: Dort bleibt der nationale Haftbefehl gegen sie bestehen – auch wegen „Rebellion“. Das Delikt verjährt in 20 Jahren.
Wie ein Kartenhaus
Hätte Llarena die Auslieferung akzeptiert, wäre sein Verfahren in Madrid wie ein Kartenhaus in sich zusammengestürzt. Denn in Spanien sitzen neun Politiker und Aktivisten in Haft, die fast alle ebenfalls der „Rebellion“angeklagt werden. Es wäre absurd gewesen, ehemalige Minister wegen einer Tat zu verurteilen, deren ihr Chef nicht bezichtigt werden darf.
Llarena hatte den Haftbefehl bereits einmal ausgesetzt, als dieser in Belgien weilte. Damals zeichnete sich ab, dass auch die belgische Justiz von „Rebellion“nichts wissen wollte.
Llarena beschwert sich nun über „fehlendes Engagement“seitens seiner deutschen Kollegen. Die deutschen Richter hätten mit ihrem Beschluss ein Urteil vorweggenommen und damit die „von uns geförderten Instrumente der internationalen Zusammenarbeit kurzgeschlossen“. Allerdings wird Llarena nicht vor die europäische Justiz ziehen. Das hätte seiner Ansicht nach Deutschland machen müssen, um Zweifel auszuräumen.
Der Koordinator des Anwaltsteams der sechs Betroffenen, Gonzalo Boye, reagierte auf Twitter: „Der Dominoeffekt war verheerend ... dabei belasse ich es.“Die neue sozialistische Regierung gab keine Stellungnahme ab. Der konservative Partido Popular und die rechtsliberalen Ciudadanos hatten bereits vor der Entscheidung Llarenas verlangt, Spanien müsse angesichts des OLG-Urteils das Schengenabkommen verlassen.