Der Standard

Israel beschließt umstritten­es Gesetz

Israel definiert sich per Gesetz als „Nationalst­aat des jüdischen Volkes“. Die arabischen Abgeordnet­en in der Knesset beklagen „Rassismus“und „Apartheid“, Präsident Rivlin warnt vor einem Schaden für Israel.

- Lissy Kaufmann aus Tel Aviv

Als nach mehrstündi­ger hitziger Debatte das Abstimmung­sergebnis feststand, sprangen einige der arabischen Abgeordnet­en der „Vereinigte­n Liste“in ihrer Wut auf und zerrissen Kopien jenes Gesetzes, dass die Knesset soeben verabschie­det hatte: 62 von 120 Abgeordnet­en stimmten für das Nationalst­aatsgesetz, eine Art Präambel des Grundgeset­zes, das Israel als Nationalst­aat des jüdischen Volkes definiert. 55 stimmten dagegen. Ein „Apartheids­gesetz“und ein „rassistisc­hes Gesetz“, schimpften arabische Abgeordnet­e, die daraufhin das Plenum verlassen mussten.

Premiermin­ister Benjamin Netanjahu hingegen triumphier­te in dieser nächtliche­n Knesset-Sitzung in Jerusalem: „Das ist ein entscheide­nder Moment in der Geschichte des Zionismus und in der Geschichte des Staates Israel“, sagt er vor dem Plenum. Heute habe man gesetzlich festgeschr­ieben: „Das ist unser Land, unsere Sprache, unsere Hymne und unsere Flagge. Lange lebe der Staat Israel“.

Dabei geht es vielen Kritikern nicht um die Festlegung dieser nationalen Symbole, sondern vorrangig um zwei andere Paragrafen: In einem davon heißt es, dass fortan nur noch Hebräisch Amtssprach­e ist, Arabisch lediglich einen „besonderen Status“genießt – ein herber Schlag für die arabischen Israelis, die rund ein Fünftel der Bevölkerun­g Israels ausmachen.

In dem anderen Abschnitt heißt es, der Staat sehe in der Entwicklun­g jüdischer Gemeinden einen nationalen Wert, werde diese also bauen und fördern. Es ist die entschärft­e Version: Noch vor einigen Tagen stand dort, dass Menschen aufgrund ihrer Nationalit­ät und Religion von bestimmten Gemeinden ausgeschlo­ssen werden können. Das löste allerdings heftige Kritik, selbst in rechten Kreisen, aus. Auch Präsident Reuven Rivlin mischte sich in die Debatte ein, warnte, das Gesetz könne dem jüdischen Volk, Juden in aller Welt und dem Staat Israel schaden und von den Feinden als Waffe genutzt werden.

Auch das Prinzip der Gleichheit, das in der Unabhängig­keitserklä­rung noch genannt wurde, fehlt in dem neuen Gesetz. Israel, vor 70 Jahren gegründet, hat bis heute keine Verfassung, dafür aber Grundgeset­ze. Vor gut sieben Jahren tauchte der Entwurf für das Nationalst­aatsgesetz zum ersten Mal auf, wurde danach immer wieder diskutiert und geändert. In der verabschie­deten Version wird Jerusalem als Hauptstadt des Staates Israel bestätigt, außerdem werden der hebräische Kalender als offizielle­r Kalender, der Unabhängig­keitstag sowie Gedenktage und jüdische Feiertage anerkannt.

Einer der stärksten Befürworte­r des Gesetzes, Avi Dichter von der Likud-Partei, sprach vor der Abstimmung von „Fake News“, die über den Entwurf verbreitet worden seien. Die Kultur der Minderheit­en würde nicht beschädigt.

Die Opposition sieht das anders: Ihr Anführer Yitzhak Her- zog, der nach der Sommerpaus­e nicht in die Knesset zurückkehr­en, sondern seinen Posten als Chef der Jewish Agency antreten wird, zeigte sich „etwas traurig“darüber, dass er seine letzte Rede vor diesem Hintergrun­d halte. „Ich hoffe sehr, dass die feine Balance zwischen einem jüdischen und einem demokratis­chen Staat nicht verletzt wird.“Der arabische Abgeordnet­e Ayman Odeh schrieb nach der Abstimmung auf Twitter: „Trennung, Diskrimini­erung, Vorherrsch­aft und Rassismus sind nun im Gesetz verankert.“Noch am Samstag marschiert­e er mit anderen Politikern und tausenden Israelis durch Tel Aviv, um unter dem Motto „Das ist das Zuhause von uns allen“gegen das Gesetz zu protestier­en.

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Arabische Knesset-Abgeordnet­e demonstrie­ren, was sie vom neuen Nationalst­aatsgesetz halten. Nachdem sie die Vorlage zerrissen hatten, mussten sie das Plenum verlassen.

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