EU dreht weiter an der Zollschraube
Die vom Handelsstreit in Gang gesetzte Spirale aus gegenseitigen Strafzöllen kommt in Schwung. Die EU kündigt im Vorfeld der Reise von Kommissionschef Juncker zu US-Präsident Trump weitere Zölle an – obwohl es laut Ifo-Institut keine Stahlschwemme gibt.
Vor dem Besuch von Kommissionspräsident JeanClaude Juncker und Handelskommissarin Cecilia Malmström bei US-Präsident Donald Trump rüstet die EU-Kommission in Sachen Schutzzölle weiter auf. Kaum sind die neuen Schutzzölle der EU auf Stahlprodukte am Donnerstag in Kraft getreten, kündigte die EU bereits neue Vergeltungsschritte an, sollten die USA höhere Zölle auf Autos aus der EU verhängen.
Für diesen Fall bereite man eine Liste von Ausgleichsmaßnahmen vor, sagte Malmström. „Das haben wir unseren amerikanischen Partnern klargemacht.“Ziel der Reise am 25. Juli nach Washington sei es, gute Beziehungen aufzubauen und die Lage zu deeskalieren. Zudem will Juncker beim Treffen mit Trump ausloten, in welchem Rahmen es Gespräche dazu geben könnte. „Wir gehen da nicht hin, um irgendetwas zu verhandeln“, stellte Malmström klar. Der Verzicht der EU ihrerseits auf Zölle auf US-Autos könne nur Teil eines größeren Handelsabkommens sein.
Legitimiert werden die am Donnerstag verordneten Schutzzölle auf 23 Produktgruppen – genau genommen sind es vorläufige Maßnahmen, die gemäß WTO-Regime längstens 200 Tage Geltung haben – mit Zwischenergebnissen aus Marktuntersuchungen. Diese zeigten deutlich, dass wegen der im März eingeführten US-Sonderzölle in der Höhe von 25 Prozent mehr ausländische Stahlerzeugnisse in die EU gelenkt würden.
Der Außenhandelsexperte des Münchner Ifo-Instituts, Gabriel Felbermayr, hält dies für vorgeschoben. Die jüngsten Handelsdaten für den EU-Binnenmarkt seien aus dem April. „Das Argument, sich vor einer durch die USZölle auf Stahl und Aluminium bereits jetzt ausgelösten Importflut zu schützen, lässt sich mit ak- tuellen Zahlen nicht belegen“, stellte der Leiter des Ifo-Zentrums für Außenwirtschaft klar. Weder Mengen noch Importwerte der von Trump mit Zöllen belegten Produkte hätten sich gegenüber vergleichbaren Produkten auffällig entwickelt. Auch ein systematischer Preisverfall bei Importen sei nicht zu erkennen.
„Stärke der Stahllobby“
„Die Schutzzölle sind keineswegs Ausdruck ökonomischer Vernunft, sondern der Lobbystärke der Stahlbranche. Sie richten mehr Schaden an als Nutzen“, echauffierte sich Felbermayr und verwies auf längst eingeleitete Maßnahmen und Zölle der EU zum Schutz vor Billigstahl aus China. Mit Schutzzöllen hingegen schwäche die EU die Welthan- delsorganisation WTO und mit ihr die Anti-Trump-Allianz. Leidtragende seien Stahlverarbeitungsbetriebe und Verbraucher, weil Stahl- und Aluminiumpreise in die Höhe getrieben würden.
Ein erstes Opfer der Strafzölle gibt es bereits: Der US-Aluriese Alcoa, ein Hauptimporteur aus Kanada, streicht seine Jahresprognose zusammen und prognostiziert den operativen Gewinn (Ebitda) nur noch auf drei bis 3,2 Milliarden Dollar (2,58 Mrd. Euro) statt bisher 3,5 bis 3,7 Mrd. Allein im zweiten Quartal hätten die zehnprozentigen Zölle auf Alu zu Mehrkosten von 15 Millionen Dollar geführt. Die Mehrbelastung taxiert Alcoa auf zwölf bis 14 Millionen Dollar pro Monat.
Das Grundproblem ließe sich durch die von Trump verhängten Schutzzölle nicht lösen, warnte Alcoa-Vorstandchef Roy Harvey. Selbst bei Ausschöpfung aller USKapazitäten müssten die USA immer noch 60 Prozent ihres Bedarfs an sogenanntem Primäraluminium in Kanada zukaufen. (ung, Reuters, dpa)