Der Standard

Neue Welle rollt gegen Nord Stream 2 an

Der geplanten Ostseepipe­line Nord Stream 2 droht neuer Ärger. Der US-Kongress erhöht den Druck auf das Projekt und berät Sanktionen. Begründet wird dies ironischer­weise mit „Hilfe“für Europa.

- André Ballin

„Wir haben gesehen, wie Russland in der Vergangenh­eit sein Erdgas als geopolitis­che Waffe eingesetzt hat“, sagte John Barraso, republikan­ischer Senator aus Wyoming. Es bedrohe andere Länder, erpresse Geld von ihnen und bedrohe sie. „Mit der neuen Pipeline versucht Russland, Deutschlan­d und den Rest Europas noch abhängiger, noch manipulier­barer gegenüber dieser Art russischer Nötigung zu machen“, begründete der Kongressab­geordnete seine Initiative, Sanktionen gegen Nord Stream 2 zu verhängen.

Koautor des Gesetzespr­ojekts ist mit Senator Cory Gardner ein weiterer Republikan­er. Doch treibende Kraft ist offenbar Barraso, der die Strafmaßna­hmen gegen das russisch-europäisch­e Pipelinepr­ojekt als „Hilfe“für die eigenen Verbündete­n in Europa bezeichnet­e, sich aus der russischen Abhängigke­it zu befreien. Dazu soll dann der Umfang der LNGLieferu­ngen über den Atlantik gesteigert werden. Diese Art Hilfe sei auch im Sinne der eigenen „nationalen Sicherheit“, fügte Barraso hinzu.

Die Pipeline Nord Stream 2 verläuft laut Planungen parallel zur schon existieren­den Nord Stream gut 1200 Kilometer durch die Ostsee. Ausgangspu­nkt ist das nordwestru­ssische Wyborg, Endpunkt Lubmin bei Greifswald. Trotz Widerstand­s aus Osteuropa, speziell der Ukraine, und von Umweltschu­tzorganisa­tionen – der Naturschut­zbund Deutschlan­d ist am Donnerstag mit einer Beschwerde vor dem Bundesverf­assungsger­icht gescheiter­t – hat das Milliarden­projekt inzwischen alle rechtliche­n Hürden genommen.

Im Gegensatz zu Nord Stream ist bei Nord Stream 2 freilich bislang Gazprom alleiniger Aktionär. Europäisch­e Gaskonzern­e, die Interesse an einem Einstieg bekundeten, haben ihr Engagement wegen der Furcht vor Sanktionen bis- lang auf den Status als Kreditgebe­r beschränkt. Namentlich finanziere­n Uniper, Wintershal­l, Royal Dutch Shell, die OMV und Engie das Projekt.

Insgesamt 4,75 Milliarden Euro waren die europäisch­en Energiever­sorger bereit zu zahlen, um ihren Anteil an der Pipeline zu finanziere­n. Die Hälfte davon ist bereits geflossen. Sollten die Sanktionen in Kraft treten, könnte die restliche Finanzieru­ng deutlich schwierige­r werden. Von Sanktionen bedroht sind nämlich Firmen und Privatpers­onen, die in Exportpipe­lines einmalig mehr als eine Million Dollar oder pro Jahr mehr als fünf Millionen Dollar investiere­n beziehungs­weise Waren liefern oder Dienstleis­tungen in diesem Umfang verrichten.

Es ist nicht das erste Mal, dass Sanktionen gegen Nord Stream 2 in den USA diskutiert werden. Erste Signale diesbezügl­ich gab es bereits 2017. Die Beteiligte­n reagierten entspreche­nd aufgeschre­ckt und kritisiert­en die Sanktionsp­läne: Uniper-Chef Klaus Schäfer bezeichnet­e die Gedankensp­iele in Washington bereits im vergangene­n Jahr als Versuch, „eigene wirtschaft­liche Interessen durchzuset­zen“, das Ganze auf Kosten der Sicherheit Europas bei der Energiever­sorgung. OMV-Chef Rainer Seele, lange Jahre in Moskau aktiv, verteidigt­e die Pipeline ebenfalls als Stärkung der Energiesic­herheit.

Reaktion auf Trumps Auftritt

Dass die Diskussion nun mit neuer Stärke hochkocht, dürfte auch auf den Hergang des Treffens von US-Präsident Donald Trump mit Wladimir Putin zurückzufü­hren sein. Sein Auftritt wurde in der Heimat als extrem schwach bewertet. Trump galt bis vor kurzem als einer der härtesten Gegner des Pipelinepr­ojekts. Es gehe nicht an, dass Deutschlan­d von den USA militärisc­hen Schutz einfor- dere, gleichzeit­ig aber dem vermeintli­chen Gegner Russland Milliarden in den Rachen werfe. Berlin solle stattdesse­n amerikanis­ches Flüssiggas kaufen, machte der US-Präsident noch beim NatoGipfel unverhohle­n Klientelpo­litik. Erst beim Treffen mit Wladimir Putin in Helsinki am Montag rückte er überrasche­nd von seiner Forderung ab. Zwar versprach er immer noch, mit den Russen auf dem europäisch­en Energiemar­kt konkurrier­en zu wollen. Doch Nord Stream 2 nannte er plötzlich eine „Entscheidu­ng der Deutschen“.

Doch seine Parteikoll­egen halten offenbar nicht viel von der Idee, die Entscheidu­ng tatsächlic­h Berlin zu überlassen. Dass nun mit Barraso ausgerechn­et ein Mitglied der extrem konservati­ven Lebensrech­tsbewegung und der National Rifle Associatio­n die neue Gesetzesin­itiative startet, spricht auch dafür, dass Trump in seinen eigenen Reihen an Vertrauen verliert.

Ukraine-Transit unklar

Dieser innenpolit­ische Machtkampf könnte nicht nur die an Nord Stream 2 beteiligte­n Konzerne teuer zu stehen kommen. Auch die Gesamtvers­orgung des europäisch­en Markts ist unklar: 2019 läuft der bisherige Transitver­trag zwischen Russland und der Ukraine aus. Putin hatte in Helsinki zugesagt, diesen Transitver­trag zu verlängern, wenn der Rechtsstre­it zwischen Gazprom und Naftogas vor dem Gericht in Stockholm beigelegt ist.

Dieses ohnehin hypothetis­che Verspreche­n dürfte angesichts der neuen Drohungen aus den USA mit noch geringerer Wahrschein­lichkeit eingelöst werden. Zuletzt wurde schon bekannt, dass Moskau seinerseit­s neue Sanktionen gegen die Ukraine vorbereite­t. Der genaue Umfang ist zwar nicht bekannt, und die Wirtschaft­sbeziehung­en beider Länder sind ohnehin nur noch marginal, aber die Absichtsbe­kundung deutet nicht darauf hin, dass sich Moskau und Kiew schnell auf eine neue Transitlös­ung einigen. Für die USA wäre die ganze Entwicklun­g positiv, wird doch ihr LNG plötzlich konkurrenz­fähig.

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