Britische Premiere in L’Alpe d’Huez
Geraint Thomas gewann als erster Brite die legendäre Bergankunft in L’Alpe d’Huez und verteidigte damit souverän seine Führung bei der 105. Tour de France. Sein Teamkollege, Titelverteidiger Chris Froome, ist gefordert.
Hölle, ich hätte nie gedacht, dass ich heute gewinnen könnte. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Dieses Rennen ist momentan wie gemacht für mich.“Radprofi Geraint Thomas gab den völlig Perplexen, als er am Donnerstag die Königsetappe der 105. Tour de France gewonnen hatte. Der 32-Jährige aus Cardiff, der am Vortag ins Gelbe Trikot geschlüpft war, führte auch das letzte Teilstück der Alpentrilogie erfolgreich einer Erledigung zu.
Dieses zwölfte Teilstück über 175,5 Kilometer hatte es in sich. Vor dem legendären, 13,8 Kilometer langen Schlussanstieg nach L’Alpe d’Huez (1850 m) waren schließlich die Klettereien zum Col de la Madeleine (2000 m), zu den Lacets de Montvernier (782 m) und zum Col de la Croix de Fer (2067 m) zu absolvieren.
In der Abfahrt vom Col de la Madeleine lag der Österreicher Gregor Mühlberger zusammen mit dem Franzosen Julian Alaphilippe kurzzeitig in Führung. Im Anstieg zum Col de la Croix de Fer setzte sich dann der Niederländer Steven Kruijswijk aus einer Spit- zengruppe ab und fuhr virtuell ins Gelbe Trikot. Doch die Mannschaft von Sky um Thomas und Titelverteidiger Chris Froome ließ keinen Zweifel an ihrer Vormachtstellung aufkommen. Nur die engsten Favoriten konnten auf der Jagd nach Kruijswijk mithalten. Auf den letzten Kilometern hatten sich Froome, Thomas, der Franzose Romain Bardet und der Niederländer Tom Dumoulin hartnäckig belauert, es kam beinahe zu Stehversuchen.
Im Schlusssprint zog Thomas dann beeindruckend davon. Der einstige Tour-Sieger Vincenzo Nibali verlor nach einem Sturz rund fünf Kilometer vor dem Ziel wertvolle Sekunden, der Italiener bleibt aber im Rennen um einen Spitzenplatz. Er war in der Spitze das einzige Opfer der Zuschauermassen. Froome musste jedoch einen Schubser eines Fanatikers einstecken und sich Unmutsbekundungen gefallen lassen.
Thomas hatte wie am Tag zuvor in La Rosiere die größten Reserven und setzte sich mit zwei Sekunden Vorsprung auf Dumoulin durch. Dritter wurde Bardet, der oft versucht hatte, als vierter Franzose en suite in L’Alpe d’Huez zu triumphieren. Froome büßte als Vierter vier Sekunden auf Thomas ein, der noch zehn Bonussekunden kassierte und nun in der Gesamtwertung 1:39 Minuten vor seinem Kapitän liegt. Von einem teaminternen Kampf sei allerdings keine Rede. „Ich fahre nach wie vor für Froome, er weiß, wie man eine Tour über drei Wochen fährt und gewinnt. Er ist eine Legende, vielleicht der beste Fahrer aller Zeiten“, sagte Thomas über den viermaligen Gesamtsieger.
Heute ist auf den 169,5 Kilometern zwischen Bourg d’Oisans und Valence etwas Erholung angesagt – ein Tag für die wenigen Sprinter, die nach der Königsetappe noch im Rennen sind. (sid, lü)