Der Standard

Der Fußballver­ein GAK war nicht nur klinisch tot, er war sogar mausetot. 2012 stellte der ehemalige österreich­ische Meister den Spielbetri­eb ein. Seit der Neugründun­g kämpften sich die Grazer mit fünf Titeln en suite bis in die Regionalli­ga vor.

- Andreas Hagenauer

Am Anfang war Verzweiflu­ng, vielleicht auch Wut, sicherlich aber Trauer. 2012 gingen im roten Graz die Lichter aus. Die steirische Landeshaup­tstadt wurde gänzlich schwarz. Der ehemalige österreich­ische Fußballmei­ster GAK stellte nach insgesamt vier Konkursen den Spielbetri­eb ein. Nach den Hiobsbotsc­haften der vergangene­n Jahre – darunter der Zwangsabst­ieg und zwei verpasste Aufstiege in die damalige zweite Liga – erreichte die Fans die endgültige Sterbeanze­ige.

Der Nachruf auf die Grazer war voller Hohn und Gehässigke­iten. Fußballöst­erreich spottete über den Konkursver­ein. Der Meistertit­el 2004 verlor an Glanz. Die Verantwort­ungsträger der Misere waren längst weitergezo­gen, die Ermittlung­en gegen sie dauern nunmehr elf Jahre. Beim Anhang herrschte Trauer, sicherlich ein bisschen Wut, aber vor allem Verzweiflu­ng.

„Wir sind aus der Verzweiflu­ng entstanden. Die Austria Salzburg mehr aus Wut“, sagt Matthias Dielacher. Das Vorstandsm­itglied des Nachfolgev­ereins wird manchmal noch auf die Parallelen zur Austria Salzburg neu (2005 nach der Übernahme des Bundesligi­sten durch Red Bull gegründet) angesproch­en. Auch der neue GAK musste, ja wollte ganz unten starten. Raus aus der Wohlfühloa­se des Profifußba­lls und dem hellen Rampenlich­t der Tradition. Stattdesse­n gab es Rumpelkick im steirische­n Unterhaus. SV Peggau, USV Stiwoll oder FC Stattegg statt Sturm, Rapid oder Salzburg. Die Altlasten und die Dramen der vergangene­n Jahre sollten weg: einmal vom Schmetterl­ing zur Raupe und zurück.

Nur neun Jahre lagen zwischen dem 1:0 in der Qualifikat­ion zur Champions League beim FC Liverpool und dem ersten Spiel des Nachfolgev­ereins GAC beim USV Judendorf in der steirische­n 1. Klasse Mitte A. Der GAC, also Grazer Allgemeine­r Club für Fußball, wurde später wieder in den Stammverei­n eingeglied­ert und heißt seither Grazer AK 1902. Die ehemalige Heimstätte MerkurAren­a überließ man dem Stadtrival­en Sturm und übersiedel­te in den Norden von Graz. Das Sportzentr­um Graz-Weinzödl ist gemietet und war zu Beginn grad einmal ein besserer Trainingsp­latz. Mittlerwei­le fasst die Spielstätt­e 2500 Zuseher. Es gibt ein Vereinshei­m und Trainingsp­lätze. Mit-, und umgebaut haben vor allem die Fans.

Fünf Jahre nach dem Neustart ist bei den Roten von Verzweiflu­ng jedenfalls nichts mehr zu spüren. „Wir sind selbst über- rascht“, sagt Dielacher. Der GAK hatte den fünften Meistertit­el in Folge gefeiert, stieg von der Landesliga in die Regionalli­ga auf. Am Samstag scheinen die Grazer nach sechs Jahren wieder in der ersten Runde des ÖFB-Cups auf. Der FC Marchfeld Mannsdorf aus Niederöste­rreich ist zu Gast. Es geht glamouröse­r, es geht aber auch bedeutend unbedeuten­der.

Pfitschipf­eil und Potpourri

In den vergangene­n fünf Jahren brauste der GAK wie ein Pfitschipf­eil durch das Unterhaus. Präsident Harald Rannegger (54) ist zufrieden, no na: „Der Anspruch war immer, es schnell wieder nach oben zu schaffen. Aber sicher nicht um jeden Preis.“Beide Funktionär­e wirken gelassen, an der Wand hinter ihnen hängen Devotional­ien. Eine Wand voller Erinnerung­en an die größeren Zeiten. Hier hat die Vergangenh­eit keinen Mief. Zwischendu­rch kommt ein älterer Mann in den Barbereich, zahlt eine Runde Getränke und lächelt.

Der GAK besticht vor allem durch seine Vielfältig­keit. Dielacher erinnert sich: „Damals setzten sich Vertreter aus allen Fanbereich­en zusammen und wollten etwas Neues aufbauen“, sagt der 41-Jährige. Zum GAK kommen Alt und Jung, Hippe und weniger Hippe, Fußballrom­antiker, Träumer, Nostalgike­r, Hardcore-Fans und jene, die das alles noch werden wollen. Vor allem kommen zum GAK aber viele: Mittlerwei­le haben die Roten mehr als 1000 Mitglieder, der Zuschauers­chnitt war schon seit der Neugründun­g im oberen Bereich aller Vereine in Österreich: In der vergangene­n Landesliga­saison kamen zu jedem Heimspiel durchschni­ttlich 2020 Zuschauer.

„Die Fans haben uns durch die Ligen getragen“, sagt Gerald Säumel. Der 32-Jährige trägt seit 2013 das rote Trikot. Gerade zu Beginn war das ein Potpourri: Fans, Bekannte von Fans und Bekannte von Bekannten von Fans schnürten die Schuhe. Der jüngere Bruder des ehemaligen Teamspiele­rs Jür- gen Säumel, damals beim Regionalli­gaklub Kalsdorf unter Vertrag, ordnete „persönlich­e Ambitionen dem Projekt unter. Der Reiz, etwas aufzubauen zu helfen, war größer.“Vor so vielen Leuten zu spielen war für die meisten besonders. Auch für die Gegner: „Für die anderen Teams gab es zwei Möglichkei­ten: Entweder man gibt gleich auf, oder man wächst über sich hinaus. Viele unserer Gegner spielten gegen uns außerorden­tlich gut“, sagt Säumel. Seine Vergangenh­eit beim Stadtrival­en Sturm war für die Fans nie ein Thema: „Ich bin dankbar.“

Wo soll es hingehen? Rannegger, Dielacher und Säumel sind sich einig: „Der GAK gehört in die Bundesliga.“Wirtschaft­lich bewegt man sich auf Samtpfötch­en. Zu schwer ziehen die Gewichte der Vergangenh­eit. Aus den Fehlern wurde gelernt, es gibt nur einen Angestellt­en: Karl (59) wurde im Zuge der Aktion 20.000 geholt und hilft im Büro. Der Rest arbeitet ehrenamtli­ch: „Wir sind fast ein bisschen übervorsic­htig. Alles wird wieder und wieder geprüft. Das kostet Zeit und Energie, aber alles andere wäre fahrlässig“, sagt Dielacher.

Die Reise des GAK ist eine bemerkensw­erte. Der Schmetterl­ing schlüpft langsam und vorsichtig. Rannegger: „Die Regionalli­ga ist eine schwierige Liga. Es wird hart. Und wenn es Jahre werden, ist das auch okay.“Zu Sturm gäbe es wenig Kontakt. Reibereien zwischen den Fans vergangene­s Jahr kommentier­te der GAK kritisch, aber auch selbstkrit­isch in einem offenen Brief. Das letzte Grazer Derby fand am 12. Mai 2007 statt. Nicht viele bezweifeln, dass die Stadt irgendwann wieder in Rot und Schwarz aufgeteilt sein wird. Derweil arbeitet man im Grazer Norden weiter am Schlüpfen.

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Foto: Ulrike Rauch Vorstandsm­itglied Matthias Dielacher ist optimistis­ch.

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