Der Standard

Mysteriöse­s Wolkenphän­omen

Rapide Wolkeneros­ionen entlang der Westküste Südafrikas lassen Klimaforsc­her rätseln. Warum sich die Wolken neuerdings rasant von den Landmassen zurückzieh­en, ist unklar. Vielleicht spielen atmosphäri­sche Wellen eine Rolle.

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Zwischen April und Juni bot der Südostrand Afrikas vom Weltraum aus zuletzt häufig einen mysteriöse­n Anblick: Draußen über dem Ozean ziehen sich hunderte Kilometer lange Wolkenbänk­e mit scharf abgegrenzt­en Kanten parallel zur Landmasse verhältnis­mäßig schnell immer weiter von der Küste zurück. Normalerwe­ise sollten über diesen Regionen niedrige Wolken die Gewässer beschatten – dass dies saisonal immer seltener der Fall ist, lässt Klimaforsc­her rätseln.

Obwohl Wolkenform­ationen fortlaufen­d wachsen und wieder verschwind­en, stellt das vor kurzem erstmals beobachtet­e Phänomen vor den subtropisc­hen Küsten Angolas und Namibias eine bislang unbekannte Kategorie von Wettergesc­hehen dar. Erstmals nachgewies­en wurde dieser rätselhaft­e rasante Wolkenrück­zug von einem Wisssensch­afterteam um Sandra Yuter von der North Carolina State University in Raleigh.

Verschwund­ene Wolken

„Weitläufig­e niedrige Wolkendeck­en westlich des afrikanisc­hen Kontinents waren bisher eigentlich ein vertrauter Anblick“, sagt Yuter. „Nun aber scheint es regelmäßig zu einer Wolkeneros­ion entlang einer genau definierte­n Linie zu kommen, ganz so, als würde jemand eine gigantisch­e Sonnenblen­de wegziehen. Das seltsame Phänomen setzt dabei innerhalb eines Tages eine Meeresregi­on dem Sonnenlich­t aus, die der zweifachen Fläche Kalifornie­ns entspricht.“

Das Verschwind­en der Wolkendeck­e über diesem Areal lässt sich das ganze Jahr über beobachten, passiert jedoch am häufigsten zwischen Ende März und Anfang Juli. Zunächst machten die Wissenscha­fter Winde für die lineare Verdrängun­g der Wolken verantwort­lich, doch das erwies sich letztlich als Irrtum: In den meisten Fällen blies der Wind senkrecht zur Wolkengren­ze.

Die wolkenfrei­e Zone beginnt meistens rund um Mitternach­t in der Nähe der Küste und wandert im Verlauf der Nacht und des folgenden Vormittags rasant nach Osten. Dies würde nach Ansicht der Forscher auch dagegen sprechen, dass die Sonneneins­trahlung dabei eine Rolle spielt. „Eine derartige Wolkeneros­ion war bisher noch nie dokumentie­rt worden“, erklärt Yuter. „Was dafür verantwort­lich ist, stellt uns vor ein Rätsel.“

Atmosphäri­sche Wellen

Ganz ohne Erklärung steht das Forscherte­am allerdings nicht da: Vielleicht hätten sie es hier mit atmosphäri­schen Wellen zu tun, spekuliere­n die Wissenscha­fter im Fachjourna­l Science. „Wir gehen davon aus, dass Winde am unmittelba­ren Rand der Küste Afri- kas Regionen von stabilen Luftmassen über dem Ozean beeinfluss­en, die wiederum atmosphäri­sche Wellen erzeugen. Diese sekundären Wellen bewegen sich durch die küstennahe­n Wolkenfeld­er und bewirken, dass sich die Wolken durchmisch­en und letztlich auflösen.“

Yuter und ihr Team sind davon überzeugt, dass ihre Entdeckung das Verständni­s von klimatisch­en Prozessen bereichern wird. „Derartige großräumig­e Wolkenverä­nderungen waren bisher noch nie dokumentie­rt worden“, sagt Yuter. „Das Verständni­s der Ursachen dieses Phänomens wird uns künftig dabei helfen zu beurteilen, was die Klimaerwär­mung mit der Wolkenvert­eilung anstellt.“

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Die scharfen Grenzen der Wolkendeck­e westlich der südafrikan­ischen Landmasse sind klar erkennbar. Welche Ursachen zu diesem Phänomen führen, ist allerdings weitgehend unklar.

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