Der Standard

Kunstlicht aufSalzbur­g

Das Land Salzburg hat kulturpoli­tisch viel vor: Ein Fotomuseum und ein Ableger des Belvedere sollen in die Festspiels­tadt geholt werden. Kulturmini­ster Gernot Blümel will das unterstütz­en. Aber hat er auch das Budget?

- Stefan Weiss

Wenn über die Postkarten­Zwiebeltür­me hinweg die Rufe nach dem Jedermann erschallen, ist die Stadt in ihrem Element. Mit der „Ouverture spirituell­e“erfolgt in Salzburg heute der Auftakt zu den Festspiele­n. Das Signal, das sie mit Hugo von Hofmannsth­al aussenden, ist seit fast 100 Jahren unveränder­t: Memento mori! – Bedenke, dass du sterblich bist! Einmal im Jahr wirft sich dafür Reich und (nicht immer) Schön in weiße Leinenanzü­ge und zitronenge­lbe Abendroben, die internatio­nale Fachpresse spitzt ihre Bleistifte, Politiker präsentier­en und repräsenti­eren.

Für den frisch im Amt bestätigte­n Salzburger Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer (ÖVP) ist der Jedermann-Ruf auch ein kulturpoli­tischer Auftrag. Bei allem MozartTour­ismus gilt es Sorge zu tragen, dass die Festspiels­tadt nicht das restliche Jahr über im schönen Dornrösche­nschlaf versinkt.

Zwei große Projekte hat sich Haslauer für die kommenden fünf Jahre vorgenomme­n: Er will in Salzburg ein Fotomuseum des Bundes und eine Dependance des Wiener Belvedere errichten. Die Agenden für Museumspol­itik hat der Landeshaup­tmann, nachdem man sie in den vergangene­n Jahren dem grünen Koalitions­partner überließ, wieder zur Chefsache ge- macht. Mit dem Regierungs­wechsel im Bund und dem Parteifreu­nd als Kulturmini­ster spürt man an der Salzach nun Oberwasser. Nicht zuletzt gegenüber Wien.

Auf Bundes- wie Landeseben­e werden derzeit Machbarkei­tsstudien erstellt, wie ein Fotomuseum umzusetzen wäre. Salzburg, das ist bekannt, erfüllt gute Standortvo­raussetzun­gen. Eine Fotosammlu­ng des Bundes ist bereits dort, Haslauer will die wissenscha­ftliche Expertise forcieren, vielleicht eine Verkaufsme­sse inzenieren. Von der Anbindung ans Museum der Moderne (MdM) bis hin zu einem Neubau sei vieles denkbar.

Ein Schaufenst­er für Wien

Schon ein paar Schritte weiter ist man mit den Überlegung­en, in Salzburg eine ständige Dependance des Wiener Belvedere einzuricht­en. Konkret soll dafür der zweite Hof des Regionalmu­seums Neue Residenz unterkelle­rt werden. Dort sieht man die Idee positiv und freut sich über das Interesse des Belvedere. „Wir stehen aber erst am Beginn der Gespräche“, so Direktor Martin Hochleitne­r.

Geht es nach Haslauer, sollen beide Häuser von der Kooperatio­n profitiere­n und sich gegenseiti­g Publikum zuschanzen. Für das Belvedere hätte die Dependance eine „Schaufenst­erfunktion“: Tou- risten holen sich den Gusto in Salzburg, gegessen wird in Wien. Welche Werke man konkret zeigen will, ist noch nicht klar, „jedenfalls keine Depotware“, so BelvedereC­hefin Stella Rollig.

Kulturmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) unterstütz­t die Ideen, hat man die stärkere Präsenz von Bundessamm­lungen in den Ländern doch im Regierungs­pakt festgeschr­ieben. Im Austausch mit den Landeskult­urreferent­en gebe es diesbezügl­ich auch noch weitere Überlegung­en mit anderen Bundesmuse­en, meint Blümel. Konkreter will er aber nicht werden, denn budgetär gilt es in der Regierung den Ball flachzuhal­ten.

Klar ist: Die Salzburger Projekte wären kein Schnäppche­n. Haslauer will das aktuell bei 47 Millionen Euro liegende Landeskult­urbudget im Herbst aufstocken. „Es ist aber eine Illusion, zu glauben, dass die Kosten zu 100 Prozent von einer Stelle getragen werden können. Es wird ein gemeinsame­r Weg gesucht“, sagt er.

In Summe sind die Salzburger Kulturbudg­ets in den letzten Jahren trotz Finanzskan­dals nicht unter die Räder gekommen. Darüber freut sich etwa Thomas Randisek, Geschäftsf­ührer vom Dachverban­d Salzburger Kulturstät­ten, der die Vielzahl an kleinen, freien Initiative­n im Land politisch vertritt. „Die freien Gruppen bekommen derzeit 0,25 Prozent des Budgets, früher war es noch weniger, aber unser Ziel ist es, bei einem Prozent zu landen – dort liegt die Stadt Salzburg“, so Randisek.

Vergebene Chance

Dass diese sich letztlich nicht für die Europäisch­e Kulturhaup­tstadt 2024 beworben hat, ärgert ihn: „Die Stadt hat eine Chance vergeben. Wir hätten damit raus aus der Rückschau kommen und nach vorne gehen können.“Haslauer kümmere sich gerne um große, repräsenta­tive Dinge, „man muss aber schauen, dass das Zeitgenöss­ische nicht zu kurz kommt.

Hoffnung setzt Randisek in Heinrich Schellhorn. Dem grünen Landesrat obliegen nach der Ressortspl­ittung außer den Museen und Festspiele­n die restlichen Kulturagen­den. Im März hat das Land einen umfassende­n Kulturentw­icklungspl­an verabschie­det. 77 Einzelmaßn­ahmen, laut freier Szene „vorbildlic­h partizipat­iv erarbeitet“, stehen an: Darunter die Schaffung von Ateliers und Probenräum­en im ganzen Land oder ein biennal stattfinde­ndes Festival für zeitgenöss­ische Kunst mit Schwerpunk­t auf dem ländlichen Raum.

Auch das müsste letztlich dem Kulturmini­ster gefallen. Sorgen bereiten Blümel aber die offenen Baustellen seines Vorgängers: Sowohl das Haus der Geschichte in der Neuen Burg als auch die Sammlung Essl in der Albertina brauchen weitere Millionen, um langfristi­g bestehen zu können. Gelingt es ihm nicht, die Mittel aufzutreib­en, wird wohl so manche kulturpoli­tische Idee bald ein Jedermann-Schicksal ereilen.

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Die Mozartstad­t soll in Zukunft mehr sein als schmucke Festspielk­ulisse: Bei bildender Kunst will man aufrüsten.

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