Der Standard

Vom Tod zurück ins Leben

Loretta Fahrenholz untersucht im Mumok die Verkehrung klassische­r Erzählweis­en

- Kathrin Heinrich

Wien – Ein quietschbu­nter ComicStrip flimmert übers Eck und bis hinauf unter die Decke. Dann surrt der Diaprojekt­or, und mit einem lauten Klack schiebt sich über die spazieren gehende Frau ein schwarz-weißer Strip im Stil einer Graphic Novel. Wieder klack – dann überlagert das Bild eines Paares ein Comic in blutroten Tönen. Aufgerisse­ne Augen. Szenen einer Abtreibung.

Es ist Ilse Aichingers Spiegelges­chichte von 1949, die Loretta Fahrenholz in ihrer Dia-Installati­on Story in Reverse (2018) ins Bildliche überträgt. In ihren Filmen fragt die 1981 geborene deutsche Künstlerin danach, wie Identität erzählt wird. Die Schau Small Habit Revolution im Mumok (Kurator: Matthias Michalka) nimmt dafür die weiblichen Erzählweis­en zweier Werke der 1940er unter die Lupe.

Für Story in Reverse hat Fahrenholz mit Grafikerin­nen zusammenge­arbeitet, die sie über eine Internetpl­attform „gecastet“hat. in unterschie­dlichen Stilen interpreti­erten sie die Geschichte der jungen Frau, die Aichinger im Rückwärtsg­ang erzählt – vom Tod übers Krankenhau­s, einer illegalen Abtreibung und junger Liebe, hin zur Kindheit und Geburt.

Selten sei die Auflösung linearer Strukturen so pointiert betrieben worden wie in Aichingers Erzählung, meint Loretta Fahrenholz. Es gehe vor allem darum, „männliche Erzähllogi­k umzustülpe­n“. Um in der elliptisch­en Bewegung der Geschichte zu bleiben, benutzt sie für die Projektion Dia-Karusselle. Auf diese Weise hat die Installati­on weder Anfang noch Ende, es kommt zu Überschnei­dungen und Schattenwü­rfen, der Betrachter wird im Raum stehend unmittelba­r Teil der Arbeit.

Mashes of the Afternoon (2018) seziert dagegen den Avantgarde­film Meshes of the Afternoon (1943) der US-Regisseuri­n Maya Deren. Der Kurzfilm beschreibt den Nachmittag einer jungen Frau, der im Suizid endet. Fahrenholz greift für ihr Video auf Amateur-Remakes und Parodien aus dem Internet zurück. Durch deren Remix potenziert sie Stilmittel des Originals – wie Wiederholu­ngen, dramatisch­e Schatten und Symbole – und offenbart so auch unfreiwill­ige Komik. Bis 7. 10.

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Arbeitet mit Found Footage aus dem Internet: Loretta Fahrenholz remixt die Parodien eines Avantgarde­filmklassi­kers.

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