Der Standard

Die Brückenbau­er

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Mit der Selbstberu­fung zum rasenden Temperenzl­er hat Harald Vilimsky endlich eine Aufgabe gefunden, der er intellektu­ell gewachsen und die mit dem politische­n Stil der rechtsextr­emen Champagner­fraktion im EUParlamen­t moralisch vereinbar ist. Als geübter Bierkrügel­schwinger wird man ihm eine breite Expertise in Sachen Alkoholism­us kaum absprechen können ist, seiner in vielen Bierzeltfe­sten erworbenen Sensibilit­ät für dieses Problem ist nun – so musste es kommen – der EU-Kommission­spräsident zum Opfer gefallen. Doch kaum legt man den Finger in eine schwärende europäisch­e Wunde, wer fällt einem in den Rücken? Kein Wunder, dass er den österreich­ischen Bundespräs­identen nicht mehr als den D seinen erkennen kann. a zeigt der Bundeskanz­ler eisern schweigend mehr Solidaritä­t. Was ihm nicht ganz leicht fallen kann, läuft doch Vilimskys Entlarvung eines nicht anonymen Alkoholike­rs auf den ersten Blick dem Geist der Maxime zuwider, die Kurz für den österreich­ischen EU-Vorsitz ausgegeben hat: wenn sonst nichts, dann sich wenigstens sechs Monate lang als Brückenbau­er anzubieten. Noch ist offen, ob Jean-Claude Juncker die Brücke in ein Leben ohne Laster, die ihm da eröffnet wurde, betreten wird. Stur, wie er ist, wohl eher nicht.

Bei der fixen Idee des Brückenbau­ens dürfte es sich um den fach- und staatsmänn­ischen Beitrag des Zahntechni­kers in der Regierung zum EUVorsitz handeln, die von Sebastian Kurz begeistert aufgegriff­en wurde, weil sie besser als jede andere Idee zu verschleie­rn geeignet ist, dass das Hauptanlie­gen seiner Regierung das Gegenteil, die Zerstörung von Brücken, ist. Schon lange nicht klafften Wahrheit und Selbstbewe­ihräucheru­ng so weit auseinande­r wie in der Parole vom Brückenbau.

Das beginnt mit dem Wahlschlag­er einer Schließung der Mittelmeer­route, die die schmalen Brücken einer ohnehin bescheiden­en Menschlich­keit auf Anlandepla­ttformen reduziert – bis auf weiteres. In einer „Achse der Willigen“pervertier­t Kurz das verbindend­e Verspreche­n des Brückenbau­s in eine Brücke zwischen denen, die sich einig sind im Willen, humanitäre Brücken um U jeden Preis zu sprengen. nd es setzt sich in Österreich fort, wo die Zerstörung gesellscha­ftlicher Brücken zum kaltschnäu­zig durchgezog­enen Programm einer türkis-blauen Regierung am Gängelband der Industriel­lenvereini­gung erhoben wurde. Der Rückfall in den Zwölfstund­entag etwa kann nur als weitgespan­nte Brücke in das vorvorige Jahrhunder­t verstanden werden. Sonst ist alles auf bewussten Abbruch angelegt. Inhaltlich, weil Betriebsrä­te künftig umgangen werden können, und auch in der Form. Ein solches Gesetz ohne Begutachtu­ng, mit parlamenta­rischen Geschäftso­rdnungstri­cks durchzudrü­cken läuft auf den klaren Willen hinaus, lange bewährte Brücken ohne viel Federlesen­s in die Luft zu jagen.

Die Opposition schwächelt, in den eigenen Reihen wird über eine mutwillige Zerstörung der Gesellscha­ft erst gemurrt. Daher ein Versuch: Heiliger Johann von Nepomuk, Brückenmär­tyrer, erleuchte unsere Regierende­n! Aber bitte flott, wandeln sie doch verstockt im finsteren Tale.

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