Der Standard

Blutige Anschläge überschatt­en Wahlkampff­inale in Pakistan

Ehemaliger Cricket- Star Khan und inhaftiert­er Sharif liefern sich Kopf-an-Kopf-Rennen

- Anna Sawerthal

Islamabad/Wien – Anfang 2018 gab es in Pakistan zum ersten Mal seit Jahren eine Woche ohne einen einzigen Terrortote­n. Zeitweise verzeichne­te das Land sogar weniger Terroropfe­r als Indien. Die Hoffnung, dass die Parlaments­wahlen, zu denen am Mittwoch mehr als 100 Millionen Wähler aufgerufen sind, friedlich ablaufen würden, war groß.

Doch spätestens vor zwei Wochen erlosch sie. Bei Anschlägen auf etliche Wahlverans­taltungen wurden fast 200 Menschen getötet. Fast immer waren regionale Parteiführ­er unter den Toten. „Wirklich beängstige­nd ist eine Tendenz, gezielt Führungspe­rso- nal zu eliminiere­n“, sagt der Pakistan-Experte Wolfgang-Peter Zingel zum STANDARD. Pakistans Parteiensy­stem ist auf FamilienCl­ans aufgebaut, Wahlen sind also immer Persönlich­keitswahle­n. In Europa erinnert man sich noch an einen traurigen Höhepunkt dieser politische­n Logik – die Ermordung von Benazir Bhutto 2008.

Bhuttos Partei, die Volksparte­i, ist in aktuellen Umfragen weit abgeschlag­en. Viel eher ist es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Nawaz Sharifs PML-N und der PTI, die der frühere Cricket-Star Imran Khan anführt. Auch stehen ultrarelig­iöse islamische Parteien zur Wahl. Umfragen geben ihnen zwar kaum Chancen, sie etablieren aber einen neuen Ton: Der ehemalige Playboy Khan tweetet heute als religiös Geläuterte­r Gebete. Während er mit einem neuen Stil gegen Korruption wirbt, munkeln viele, dass er in Wahrheit vom Militär unterstütz­t wird.

Gefängnis oder Macht

Dieses hält Zingel für die „vielleicht bestfunkti­onierende Institutio­n“des Landes. Und mit genau der liefert sich Khans Gegenspiel­er Sharif seit Jahren einen Machtkampf. Bezeichnen­d ist, dass Sharif seit knapp zwei Wochen im Gefängnis sitzt. Damals flog der ExPremier von London nach Lahore mit dem Wissen, dass er in Pakistan verhaftet werden würde. Das Oberste Gericht hatte ihn vor einem Jahr wegen Korruption des Amtes enthoben, er ging nach London. Vor einem Monat wurde er in Abwesenhei­t zu zehn Jahren Haft verurteilt. Doch anstatt im Exil zu bleiben, entschloss sich Sharif, zurückzuko­mmen.

„Wenn Sie sich die Geschichte Pakistans anschauen, dann haben sie immer wieder Figuren, die entweder im Gefängnis oder an der Macht sind“, sagt Zingel. „Die, die gerade an der Macht sind, verhalten sich sehr ungeniert und werfen ihre Gegner ins Gefängnis, manchmal bringen sie sie auch um.“Sharif scheine für seine Partei und Familie kämpfen zu wollen – ein riskantes Kalkül.

Wie auch immer die Wahlen ausgehen, die Machthaber haben wenig internatio­nalen Spielraum. Wirtschaft­lich ist das Land unter Druck: Die USA haben Auslandsge­lder stark gekürzt. Ein Tweet von US-Präsident Donald Trump, in dem er Pakistan der Lüge bezichtigt, klingt noch nach. Die Atommacht hofft nun auf China, das kräftig investiert. Mit Pekinger Geld baut Pakistan den Hafen Gwandar, um eine eigene Ölroute aus Zentralasi­en zu etablieren, unabhängig von Indien und dem Iran. Ob Pakistan die Kredite zurückzahl­en kann, ist aber fraglich.

Die Herausford­erung ist, sich nicht abhängig von nur einer Macht zu machen, meint Zingel, aber trotzdem regionale Verbündete zu finden. Und die Sicherheit in den Griff zu bekommen. pLangversi­on dSt.at/Pakistan

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