Mit dicken Autos lässige Leute finden
Die Polizei wählt seit etwa einem Jahr bei der Personalsuche eine neue Strategie: Auf Sportevents und sogar auf der Maturareise wird der Beruf jungen Menschen nähergebracht. Das finden nicht alle gut.
Die Polizei hat ein Problem. Das gibt sie auch ganz offen zu: „Leider ist Rekrutierung nicht mehr so einfach wie früher, als man sich durch Säcke voller Bewerbungen wühlen und die besten Bewerber aussuchen konnte.“Der Satz ist auf der Website des Bundesministeriums für Inneres zu lesen, in einem Artikel über neue Wege in der Personalsuche.
Bewerber gebe es zwar nach wie vor genug, ihre Qualität lasse aber teilweise zu wünschen übrig, sagt der Kommunikationschef des Innenministeriums, Alexander Marakovits. „Unser Motto ist es, die Besten der Besten zu finden. Die Leute müssen sportlich sein, aber auch Empathie zeigen und die rechtlichen Materie kennen. Es ist ein vielfältiger Beruf, für den man viel mitbringen muss.“
Letztes Jahr habe man deswegen beschlossen, beim Recruiting anzusetzen und die Personalsuche zu modernisieren. „Wir haben uns angesehen, was die Polizei bisher gemacht hat. Da ist uns aufgefallen, dass das nicht gerade viel war“, sagt Marakovits. Statt nur Inserate in Zeitungen zu schalten – was noch immer gemacht wird, etwa auch im bereits mehrfach vom Presserat verurteilten Wochenblick –, gehe man nun dorthin, wo die Zielgruppe ist: „Sportliche, lässige junge Menschen.“
Kritik aus eigenen Reihen
Infostände zum Polizeiberuf habe es beispielsweise bei der Formel 1 in Spielberg gegeben, beim Erzbergrodeo, aber auch auf einer Maturareise in Kroatien. Und als Recruitingmaßnahme dient auch der am Wochenende von KTM an den Generalsekretär des Innenministeriums übergebene Sportwagen: 300 PS stark und 100.000 Euro teuer. „Bewirb dich. Jetzt“, ist auf der Tür zu lesen.
Kritik an der neuen Strategie – die, wie Marakovits betont, ohne externe Berater erarbeitet wurde – blieb nicht aus. Der oberste Polizeigewerkschafter Reinhard Zimmermann meinte etwa, dass mit einer Mär geworben werde, wenn man Luxusautos zeige.
Für Marakovits erfolgte die Kritik „zu Unrecht“. Der Besuch bei der Maturareise sei eine der erfolgreichsten Veranstaltungen überhaupt gewesen. Und das Fahrzeug sei das billigste Werbemittel, dass es gebe. „Das wird fotografiert, die Leute sprechen darüber und teilen das auf Social Media. Genau das wünschen wir uns.“
Am wichtigsten sei aber das persönliche Gespräch – und die Formulare, die von Interessenten ausgefüllt werden. 500 bis 1000 Rückmeldungen gebe es pro Veranstaltung. „Das Konzept funktioniert, sonst hätten wir es bereits wieder verworfen.“
Zu einem etwas anderen Befund kommt Bernhard Heinzlmaier, Mitbegründer des Instituts für Jugendkulturforschung. Für ihn wirke das Werben eher wie eine „Verzweiflungstat“, was er aber nachvollziehen könne, schließlich sei die Polizei, was den Nachwuchs angeht, in einer wirklichen Notsituation. Ähnlich wie beim Bundesheer ziehe man Menschen eines spezifischen Gesellschafts- milieus an, „und zwar eher die Underdogs als die Akademiker“.
Die aktuelle Strategie erinnere ihn an die 1950er-Jahre: junge Menschen mit Konsumangeboten locken. „Damals warb etwa die Jungschar mit dem Besuch von Ferienlagern, wenn man sich anschließt. Das ist purer Materialismus, aus idealistischen Gründen kommt da niemand zur Polizei.“
Genau das müsse aber das Ziel sein. Und: eine bessere Durchmischung. „Autoritäre, hierarchische Organisationsstrukturen, die bei Bundesheer und Polizei sicher notwendig sind, kommen in diesen Zeiten bei besser Gebildeten nicht gut an. Da müsste man sich etwas überlegen.“Damit nicht nur pure Nutzenmaximierer kommen, empfiehlt Heinzlmaier auch, die sogenannten „Postmaterialisten“zu suchen und anzusprechen. Für sie zählt Moral mehr als Status. „Ihnen müsste man erklären, was die Polizei für den Zusammenhalt der Gesellschaft tut. Da gibt es ja eine Reihe an verdienstvollen Dingen.“