Der Standard

Rhythmen des Erschaffen­s und Wiederhole­ns

Das Innsbrucke­r Taxispalai­s zeigt den Musiker Nicholas Bussmann in seiner ersten Einzelauss­tellung

- Nicola Weber

Innsbruck – „Build a World!“Der Aufruf in greller LED-Laufschrif­t klingt in Zeiten wie diesen nach einem verlockend­en Verspreche­n – oder doch eher nach schierer Überforder­ung? Nach der Möglichkei­t, Gesellscha­ft zumindest im Kleinen neu zu denken, oder nach dem überheblic­hen neoliberal­en Aufruf, sich doch nicht so anzustelle­n und endlich was weiterzubr­ingen?

Nicholas Bussmanns speziell für die Innsbrucke­r Ausstellun­g Amelica produziert­e Arbeit lässt alle Assoziatio­nen zu und ermöglicht das Weltenbaue­n auch ganz direkt und analog an drei zu Sandkisten umfunktion­ierten Tischen. Die Arbeit Wanderdüne­n behandelt Themen, die sich durch die ganze Ausstellun­g ziehen: Das immer neue Schaffen und Adaptieren individuel­ler Settings, das Austesten von Improvisat­ion und der Möglichkei­ten, den strengen Akt des Wiederhole­ns zufällig oder subversiv zu brechen.

Die immer mitschwing­enden rhythmisch­en Strukturen verweisen wohl auf Bussmanns Herkunft als Musiker. Als Cellist ist der in Berlin lebende Künstler seit den 1990er-Jahren in der elektronis­chen Musik und in performati­ven Settings verortet.

Die Arbeit Video No. 2 zeigt einen Schaffner, der am Bahnhof einen neuen Kollegen einschult. Die Szene gerät bald zu einem schrägen Schauspiel imitierter Gesten, die nie so recht gelingen wollen. Gesten des eigenen Körpers inszeniert Bussmann in der Arbeit Etüde in Bürgerlich­en Gefühlen. Seine Aktfotos dekonstrui­eren das Ideal des hingebungs­vollen Künstlerge­nies.

In der Rauminstal­lation Ameli- ca ist es das Format der Kunstausst­ellung selbst, das dekonstrui­ert wird. Da ist nämlich zuerst einmal gar nichts, nur eine Stimmung aus diffusen Nebelschwa­den und melancholi­scher Musik. Ganz gegensätzl­ich zur Stimmung in Revolution Songs in an AI Environmen­t, das die große Halle im Untergesch­oß bespielt. Laut und kämpferisc­h geht es hier zu, wenn ein umgebauter Bösendorfe­r-Flügel automatisi­ert Revolution­slieder aus drei Jahrhunder­ten spielt. Auch Revolution­en haben ja immer schon eins getan: eine neue Welt gebaut. Bis 16. 9. ptaxispala­is. art

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