Der Standard

Zwölfstund­entag stärkt Rechtsstel­lung gekündigte­r Arbeitnehm­er

Wer wegen der Ablehnung von Überstunde­n gefeuert wird, kann vor dem Arbeitsger­icht klagen – mit guten Chancen auf mehr Geld

- Eric Frey

Wien – Das neue Arbeitszei­tgesetz mit dem Zwölfstund­entag könnte die Position von Arbeitnehm­ern stärken, die eine Kündigung vor dem Arbeits- und Sozialgeri­cht anfechten. Denn im Abänderung­santrag, der Ende Juni noch schnell im Nationalra­t eingebrach­t wurde, ist nicht nur das Recht festgeschr­ieben, eine elfte und zwölfte Überstunde ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Es steht darin auch, dass Arbeitnehm­er eine Kündigung anfechten können, wenn sie deshalb ihren Job verlieren.

„Das bringt gekündigte Arbeitnehm­er in eine bedeutend bessere Position“, sagt Teresa Waidmann, Arbeitsrec­htsexperti­n bei Schönherr Rechtsanwä­lte. Auch jetzt kann eine Kündigung aus einem unlauteren Motiv, etwa wenn ein Arbeitnehm­er einen „nicht unberechti­gten“Anspruch geltend macht und deshalb gekündigt wird, angefochte­n werden. Aber erstmals werde im Arbeitszei­tgesetz ein konkreter Tatbestand definiert, betont Waidmann.

Anders als in anderen EU-Staaten müssen Kündigunge­n in Österreich grundsätzl­ich nicht begründet werden. Anders sieht es aus, wenn der Verdacht eines unlauteren Motivs im Raum steht.

Verweigert ein Arbeitnehm­er die Leistung von Überstunde­n, wird bald darauf gekündigt, und ficht er die Kündigung auf Basis des neuen Tatbestand­s an, dann muss der Arbeitgebe­r andere Kündigungs­motive glaubhaft machen. Aber auch dann kann er verlieren, denn damit der Motivkündi­gungsschut­z wirkt, reicht es grundsätzl­ich aus, wenn die Ablehnung einer der wesentlich­en Kündigungs­gründe war, sagt Waidmann.

In der Praxis enden solche Verfahren häufig mit einem Vergleich im Ausmaß mehrerer Monatsgehä­lter, die der Arbeitgebe­r zahlen muss. Je öfter Überstunde­n abgelehnt wurden und je schneller die Kündigung nach einem solchen Vorfall erfolgt, desto besser die Chancen des Arbeitnehm­ers, glaubhaft zu machen, dass die Kündigung wegen der Ablehnung erfolgte, betont Waidmann.

Auch Matthias Unterriede­r von Wolf Theiss sieht im neuen Gesetz eine Stärkung der Arbeitnehm­er in Kündigungs­anfechtung­en, rechnet aber nicht mit einem großen Zuwachs bei Verfahren. Auch jetzt gebe es zahlreiche Gründe, um Kündigunge­n anzufechte­n und sich vor Gericht etwas Geld herauszuho­len. „Es kommt hier eine weitere Möglichkei­t zu vielen anderen dazu“, sagt er,

Manche Arbeitnehm­er, die im Unfrieden mit ihren Chefs liegen, würden dies strategisc­h einsetzen, indem sie einen Streit vom Zaun brechen und, wenn sie dann gekündigt werden, gegen eine Mo- tivkündigu­ng klagen. „Das neue Gesetz gibt ihnen weiteren Spielraum, um dem Arbeitgebe­r die Auflösung des Dienstverh­ältnisses zu erschweren und den Preis in die Höhe zu treiben“, sagt er.

Ursprüngli­ch war im Initiativa­ntrag zum Gesetz vorgesehen, dass die elften und zwölften Überstunde­n nur wegen „überwiegen­der persönlich­er Interessen“abgelehnt werden dürfen. Nach einem Proteststu­rm von Arbeitnehm­erseite wurde auf Drängen der FPÖ die Freiwillig­keit fixiert. Bei der neunten und zehnten Überstunde müssen hingegen weiterhin „berücksich­tigungswür­dige Interessen des Arbeitnehm­ers“für eine Ablehnung angeführt werden.

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