Der Standard

Gefängnisa­usbruch 2.0

Bildstarke Neuauflage des Filmklassi­kers „Papillon“von 1973

- Bert Rebhandl

Wien – Jeden Tag eine Kokosnuss – mit dieser Ration ist man selbst in der Hölle noch ganz gut versorgt. Für den Sträfling Henri Charrière, genannt Papillon, ist die nahrhafte Frucht, die er regelmäßig in seinem Wassereime­r findet, ein Überlebens­mittel par excellence. Längst hat er die Gefängnisk­olonie in Französisc­hGuayana, in die man ihn zu Unrecht gebracht hat, hinter sich gelassen. Papillon befindet sich in Einzelhaft an einem Ort, an dem er nur noch einen Gegner hat – den Leiter des Straflager­s, der alles daran setzt, seinen aufsässigs­ten Insassen zu brechen. Aber der denkt auch nach vielen Jahren der Verbannung nur an eines: Er muss irgendwie da raus.

Die Geschichte von Papillon beruht auf Tatsachen. 1969 erschien das Buch, in dem Henri Charrière von seinen Erlebnisse­n erzählt, in Frankreich. Es wurde ein Welterfolg, und schon wenige Jahre später nahm sich Holly- wood der Sache an: Auch der Film mit Steve McQueen und Dustin Hoffman wurde zu einem Klassiker. Wer etwas Überzeugen­des über die extreme Belastbark­eit von Menschen finden will, ist hier besser versorgt als etwa bei Angelina Jolies Unbroken oder dem deutschen Kriegsheim­kehrerdram­a So weit die Füße tragen.

Warum aber braucht es jetzt eine Neuauflage? Ganz einfach: Niemand braucht aus irgendwelc­hen Gründen wie politische­r Aktualität ein Remake von Papillon, es ist aber auch nichts verkehrt daran. Denn Steve McQueen ist einer heutigen Generation nicht mehr so vertraut. Charlie Hunnam hingegen kennt man aus King Arthur und aus der Serie Sons of Anarchy. Er macht sich gut als der neue Steve McQueen, wobei der Wettbewerb im heutigen Hollywood unter den Strapazund­ern, wie man diesen Typus des höheren Heimwerker­s nennen könnte, recht lebendig ist.

Das konvention­elle Männlichke­itsbild in Papillon wird noch verstärkt dadurch, dass der Held einen Partner hat, der ganz anderen Kalibers ist: Ausgerechn­et der fragile Brillenträ­ger Louis ( Rami Malek) wird zum wichtigste­n Partner des virilen Papillon – eine Männerfreu­ndschaft, die auf Gegensätze­n beruht. In dem Papillon von 1973 hat Dustin Hoffman diese Rolle gespielt. Rami Malek, der Star mit ägyptische­n Wurzeln, macht den neuen Papillon ethnisch wie geschlecht­erpolitisc­h komplexer. Das Überleben ist nicht mehr nur an Tugenden wie den harten Körper gebunden.

Der aus Dänemark verpflicht­ete Regisseur Michael Noer und der deutsche Kameramann Hagen Bogdanski sorgen für einen bildstarke­n Abenteuerf­ilm. Gleichwohl wirkt der neue Papillon wie ein Irrläufer aus anderen Zeiten, und weil das so ist, ist man mit dem Papillon von 1973, vor allem aber mit den Büchern von Henri Charrière besser versorgt. Im Kino

Newspapers in German

Newspapers from Austria