Wegweisendes Gentechnikurteil steht bevor
Neue Verfahren wie die Gen-Schere CRISPR versprechen eine Revolution in der Landwirtschaft. Der Europäische Gerichtshof entscheidet diese Woche, ob damit veränderte Pflanzen unter das Gentechnikgesetz fallen.
Früchte, die nicht braun werden, virusresistente Gurken und Sojabohnen, bei deren Verarbeitung weniger Transfettsäuren entstehen: Die Liste der Pflanzenzüchtungen, die mithilfe sogenannter Genome-Editing-Verfahren erzeugt wurden, wächst stetig. An dürreresistentem Mais, Weizen ohne Allergene und Gemüsepflanzen, die weniger Spritzmittel benötigen, wird intensiv gearbeitet. Auch weitaus exotischere Ideen gibt es zuhauf.
Doch während sich die Technologien hinter diesen Innovationen rasant entwickeln, hinkt die Gesetzgebung hinterher: Noch ist in der EU weitgehend ungeklärt, ob Züchtungen, die mithilfe von Methoden wie der Gen-Schere CRISPR/Cas9 erzeugt wurden, unter das strenge Gentechnikgesetz fallen oder nicht. Für Mittwoch dieser Woche wird nun eine richtungsweisende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) erwartet: Ein Urteil soll die rechtliche Bewertung von Organismen liefern, die mit CRISPR und vergleichbaren Verfahren hergestellt wurden.
Im Unterschied zu klassischen gentechnischen Verfahren entstehen durch Genome-Editing-Techniken in der Pflanzenzucht häufig keine transgenen Organismen. Es werden also keine artfremden Gene in das Erbgut eingebaut, sondern vorhandene Gene gezielt ausgeschaltet oder Mutationen ausgelöst, die zum gewünschten Zuchtergebnis führen sollen. Solche Veränderungen könnten theoretisch auch auf natürliche Weise oder mit herkömmlichen Zuchtmethoden erreicht werden. Zudem hinterlässt CRISPR keine Spuren im Endprodukt.
Mit anderen Worten: Wird ein Pflanzengenom ohne Fremd-DNA verändert, ist am Ende gar nicht ersichtlich, ob es sich um eine natürliche Mutation handelt, um das Ergebnis einer Züchtung mit herkömmlichen Methoden oder ob mit Genome-Editing nachgeholfen wurde.
Damit ist eine Kontrolle kaum durchführbar, es entfällt aber auch ein wesentlicher Kritikpunkt von Gentechnikgegnern, die unkalkulierbare Risiken für Umwelt und Konsumenten durch das Einbringen von Fremdgenen fürchten. Bei den Diskussionen über die gesetzliche Einstufung solcherart veränderter Pflanzen gehen die Wogen trotzdem hoch.
Folgenreiche Entscheidung
Kritiker und Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace warnen vor unkontrolliertem Anbau und Risiken, denen Verbraucher ohne ihr Wissen ausgesetzt würden. Viele Wissenschafter sehen in CRISPR/Cas9 hingegen nichts anderes als eine moderne Zuchtmethode, aufgrund ihrer Präzision vielleicht sogar die biologisch verträglichste. Behandlungen mit Chemikalien oder Röntgenstrahlen, die seit Jahrzehnten gang und gäbe sind, tun auf brachialere und ungenauere Weise letztlich nichts anderes: Sie lösen Mutationen aus, die nützlich oder schädlich sein können.
Die Entscheidung, die der EuGH nun anlässlich einer Klage französischer Landwirtschaftsund Naturschutzorganisationen treffen muss, ist folgenreich: Organismen, die als gentechnisch verändert definiert werden, unterliegen strengsten Auflagen. Sie müssen langwierige und teure Zu- lassungsverfahren durchlaufen und gekennzeichnet werden. In Österreich ist ihr Anbau generell verboten. Werden CRISPR-Produkte aber nicht als gentechnisch veränderte Organismen eingestuft, gelten für sie dieselben Vorschriften wie für herkömmlich gezüchtete Pflanzen.
Das Urteil wurde mehrfach verschoben, im Jänner gab der Generalanwalt des EuGH, Michal Bobek, aber eine Stellungnahme zur rechtlichen Bewertung des Verfahrens ab: Darin heißt es, dass mit CRISPR und vergleichbaren Techniken erzeugte Organismen nicht als gentechnisch verändert anzusehen sind, wenn die Veränderungen auch auf natürliche Weise entstanden sein könnten. Ob der EuGH dieser Einschätzung folgt, wird sich am Mittwoch zeigen.
Einen klaren rechtlichen Rahmen gibt es bisher nur in wenigen Ländern. 2015 entschied Argentinien, dass modifizierte Pflanzen, die keine artfremden Gene enthalten, nicht unter Gentechnikrichtlinien fallen. Im selben Jahr stellte Schweden fest, dass die EUDefinition gentechnisch veränderte Pflanzen ohne Fremdgene nicht einschließt. In den USA, wo in den vergangenen Jahren einige CRISPR-Lebensmittel zum Verkauf zugelassen wurden, entschied man zunächst von Fall zu Fall, bis im März 2018 gen-editierte Pflanzen ohne Fremd-DNA generell von Gentechnikgesetzen ausgenommen wurden.
Neuseeland hat hingegen 2016 einen restriktiven Beschluss gefasst: Dort gelten für alle Pflanzen, deren Erbgut editiert wurde, die Richtlinien für Gentechnik – egal ob artfremde Gene eingeschleust wurden oder nicht.