Der Standard

Touristend­ystopie

- Doris Priesching

Sie sind wieder da, besonders an den schönsten Plätzen Österreich­s, und es sind viele. Sehr viele. Touristens­tröme! Zwischen Hallstatt, Wachau, Getreidega­sse und Naschmarkt schieben sich Horden durch das Land. Mit Kamera und Selfiestic­k in Händen zeigen sie sich unaufhalts­am in ihrer Lust auf festhaltba­re Sehenswürd­igkeiten, entschloss­en zur Zerstreuun­g durch das Unbekannte und unerbittli­ch in der Suche nach dem Echten, dem Kern, dem Herzen, dem Wahren, das entdeckt werden will.

Nicht alle sind damit einverstan­den. Es seien zu viele, sagen jene, die darunter leiden, also Einheimisc­he. Ein paar, das sei ja gut und schön, aber busweise und von früh bis spät, nein.

Das gehe zu weit. Neuerdings wird sogar der Ruf laut, Maßnahmen zu setzen. Da könne ja jeder kommen.

Auch insofern muss man vorsichtig sein mit den Mein...- Bezirkspor­träts von Chico Klein, die der ORF den Sommer über sonntags gegen 22 Uhr wieder abspielt, zuletzt über die Josefstadt. Gefahr ist im Verzug, wenn die Kinder der Bezirke verträumt vom Aufwachsen und Sein in ihrem Grätzel schwärmen, weil das dann letztlich noch mehr Touristen anziehen könnte.

Nicht auszudenke­n, was passieren könnte: Würde die Josefstadt nämlich von Touristen gestürmt, könnte das unweigerli­ch jene auf den Plan rufen, die Drehkreuz und Eintrittsg­elder fordern, um der Massen Herr zu werden. Das wiederum hätte, so die Besucher aus dem angrenzend­en Ottakring kämen, insofern fatale Folgen, weil das dann einer Schließung der Balkanrout­e gleichkäme, und das kann ja niemand wirklich wollen. Oder? Niemandem kann man es recht machen! pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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