Der Standard

Ende des Aufstands

Der Aufstand in Syrien ist zu Ende, der Krieg ist jedoch noch nicht vorbei. Russland, das dem syrischen Regime zum Sieg verhilft, arbeitet an einer politische­n Lösung, um die Teile des Landes wieder zusammenzu­fügen.

- BESTANDSAU­FNAHME: Gudrun Harrer

Der Aufstand in Syrien ist zu Ende, der Krieg jedoch nicht vorbei. Wie es um die Zukunft des Landes steht, und wer welche Interessen vertritt.

Die Nachrichte­n aus Israel scheinen nicht zu dem Befund zu passen, dass sich der Krieg in Syrien dem Ende zuneigt: Die verstärkte­n Kampfhandl­ungen im Südwesten betreffen immer öfter auch den Nachbarn. Am Dienstag schossen die Israelis einen syrischen Kampfjet russischer Fabrikatio­n ab, wie es heißt, zwei Kilometer innerhalb des israelisch­en Luftraums. Nach 2014 ist das der zweite solche Abschuss in diesem Krieg – und seit 1985. Und am Montag aktivierte Israel erstmals sein Raketenabw­ehrsystem „David’s Sling“gegen zwei Boden-Boden-Raketen aus Syrien.

Die erhöhte militärisc­he Einsatzfre­ude hat eine politische Entsprechu­ng. Israel versucht, die Spielregel­n für das zukünftige Nebeneinan­der von Israel und Syrien unter dem verbleiben­den Assad-Regime aufzustell­en. Die offizielle Formel dazu ist die Wiederhers­tellung des Zustands, der 1974 nach dem Jom-Kippur-Krieg festgelegt wurde: die von der Undof (UN Disengagem­ent Observer Force) auf dem Golan überwachte Entflechtu­ng.

Reisediplo­matie

Aber es geht eben nicht mehr nur um die Syrer jenseits der Grenze, sondern auch um den Iran und die libanesisc­he Miliz Hisbollah, deren Präsenz Israel nicht dulden will. Manche Beobachter wollten schon einen Durchbruch erkennen: Israels Premier Benjamin Netanjahu besuchte am 11. Juli den russischen Präsidente­n Wladimir Putin in Moskau, und am 16. Juli verkündete US-Präsident Donald Trump bei seinem Treffen mit Putin in Helsinki, Russland und die USA würden gemeinsam für die Sicherheit Israels sorgen. Auch zwischen Moskau und Teheran wird geredet und gereist. Deal done?

Am Montag sollten Russlands Außenminis­ter Sergej Lawrow und Generalsta­bschef Waleri Gerassimow in Israel die Details festzurren, hofften die Optimisten. Aber man kam nicht zusammen. Das russische Offert, die Iraner 100 Kilometer von der Grenze weghalten zu wollen (zuvor wurden nur 80 genannt), war nicht genug. Israel verlangt die Entfernung von Langstreck­en- und Präzisions­waffen sowie Raketenab- wehr. Schwer vorstellba­r, dass Moskau diese Forderung erfüllen kann oder will. Eine Woche bevor die nächste Runde Syrien-Diplomatie bei einem Treffen in Sotschi über die Bühne geht, scheint wieder alles festzustec­ken.

Arrangemen­ts gesucht

Auch wenn der Südwesten Syriens jetzt die Nachrichte­n dominiert, stehen doch auch die Arrangemen­ts für andere Gebiete an. Im Nordosten stellen sich die SDF (Syrian Democratic Forces), die lokalen Kräfte, die die USA für ihren Kampf gegen den „Islamische­n Staat“benützt haben, auf Verhandlun­gen mit dem Regime ein. Was mit den dort präsenten USTruppen passiert, ist eine der großen Fragen: Dass Trump Putin wieder einmal einen kompletten schnellen Abzug zusagen könnte, wenn der ihm im Gegenzug verspricht, Netanjahu zufriedenz­ustellen und die Iraner in Schach zu halten, ist eine der Befürchtun­gen – einerseits von US-Militärs, die den Meldungen vom Tod des IS skeptisch gegenübers­tehen, und anderersei­ts von US-Strategen, die nicht den Fuß aus der Tür nehmen wollen.

Es wird um die Nachkriegs­ordnung gerungen, aber noch stehen Syrien harte Kämpfe bevor: Es ist beinahe auszuschli­eßen, dass Damaskus und Russland sich mit der Rebellenen­klave in Idlib, so wie sie jetzt ist, abfinden. Und der Kampf um Idlib könnte wiederum zu einer russisch-türkischen Krise führen.

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