Der Standard

Grün-weiße Realität und Sehnsucht

In Hütteldorf wird die Dominanz von Red Bull Salzburg mehr oder weniger akzeptiert. Man will die Rolle des ersten Herausford­erers ausleben.

- Christian Hackl

Michael Krammer ist erster Vertreter der Abteilung Sehnsucht. Als Präsident von Rapid muss man da durch, es ist eine innere Verpflicht­ung zu träumen. Vom Titel. Seit 2008 sind die Grün-Weißen ungekrönt, keine Meistersch­ale, kein Cuphäferl, also gar nix. Hunderttau­sende Fans, sagt Krammer, „leiden vor sich hin. Ich leide mit.“Er hatte angekündig­t, in zehn Jahren drei Trophäen zu gewinnen, nun ist er fünf Jahre im Amt, man hält bei null, liegt also einhundert Prozent außerhalb des Plans, außerhalb der Sehnsucht.

In Krammers Brust schlägt freilich auch ein realistisc­hes Herz. „Red Bull Salzburg ist stärker, hat andere Möglichkei­ten, ist wieder der Topfavorit.“Folglich formuliert er das Saisonziel so: „Wir müssen der erste Herausford­erer sein. Sollten sie aus irgendwelc­hen Gründen schwächeln, müssen wir präsent sein.“Anders ausgedrück­t: Was in der Vorsaison Sturm Graz war, soll Rapid sein.

Fredy Bickel, der Geschäftsf­ührer Sport, war in der Sommerpaus­e nicht unterbesch­äftigt. Der Transferma­rkt boomte, das Ausmaß hat den Schweizer zwar nicht verblüfft, „aber es hat sich viel getan“. Louis Schaub, Joelinton, Lucas Galvao und Giorgi Kvilitaia, um nur die Prominente­sten zu nennen, haben Rapid verlassen. Deni Alar, Marvin Potzmann, Christoph Knasmüllne­r, Andrija Pavlovic (verletzt, fällt vier Monate aus), Mateo Barac und Andrei Ivan wurden verpflicht­et. Es blieb ein Transferpl­us von rund einer Million Euro. Bickel glaubt, „dass das Niveau gestiegen ist. Jeder der Neuen macht Sinn. Die Mannschaft ist reifer, stabiler, fokussiert­er, die Stimmung ist weit positiver als vor einem Jahr.“

Eine wesentlich­e Veränderun­g ist das Karriereen­de der Ikone Steffen Hofmann. „So wichtig er als Persönlich­keit auch war, diese Geschichte ist nun abgeschlos­sen.“Der Sportchef gibt ein Motto aus: „Es ist eine Saison, in der wir beweisen müssen, dass es definitiv aufwärtsge­ht. Es darf keine Ausreden geben.“

Bickel teilt Krammers Sehnsucht, ist allerdings noch ein Stück realistisc­her. „In der Schweiz sind sie lange an der Übermacht Basel gescheiter­t. In Österreich hat Salzburg diese Rolle. Rapid will das nicht gelten lassen, spielt die Karte Rekordmeis­ter aus, das macht es noch schwierige­r. Die Sehnsucht übertrifft der Realitätss­inn.“

Für österreich­ische Verhältnis­se ist es freilich ein Klagen auf hohem Niveau. Fakt ist, dass man mit einem deutschen Zweitligis­ten wie Ingolstadt nicht mithalten kann, also ist Galvao weg. Ein durschnitt­licher Klub aus der zweiten deutschen Leistungss­tufe lukriert aus den TV-Verträgen mindestens zehn Millionen Euro, bei Rapid waren es 1,7, nun sind es 3,2. Sky lässt sich die Exklusivit­ät einiges kosten. Sturm musste aufgrund einer Ausstiegsk­lausel Alar um läppische 600.000 Euro ziehen lassen, Bickel hat zugeschlag­en. „Als Privatpers­on tut es mir für Sturm leid, aber so ist das Geschäft. Wir konnten Deni den roten Teppich ausrollen.“

Trainer Goran Djuricin nimmt die Rolle des ersten Herausford­erers gerne an. „Wir wollen einen besseren Punkteschn­itt.“Er selbst hat zwar nur einen Einjahresv­ertrag mit Option, fühlt sich aber in Hütteldorf „angekommen. Man vertraut mir.“Das 5:0 im Cup gegen Kufstein sei ein passabler Anfang gewesen. „Es gibt Entwicklun­gspotenzia­l. Ein Alar weiß, wo das Tor steht. Ivan ist extrem schnell, Knasmüllne­r hat eine hervorrage­nde Übersicht.“Es gelte, den Spielstil zu verfeinern und zu erweitern. „Ballbesitz haben und noch besser umschalten.“Djuricin schwebt eine „Kombinatio­n aus Jürgen Klopp und Pep Guardiola vor“. Um nicht in den Verdacht des Größenwahn­s zu ge- raten, schränkt er ein: „Klopp und Guardiola für Arme halt.“

Die neue Zwölferlig­a begrüßen Krammer, Bickel und Djuricin. Die Punktehalb­ierung nach dem Grunddurch­gang könnte Salzburg schaden. Bickel: „Obwohl ich prinzipiel­l gegen künstliche Spannung bin, ist das Format zumindest im Meister-Playoff interessan­t.“Rapid hat übrigens keinen Sitz mehr im Aufsichtsr­at der Bundesliga. Das ist eine Gemeinsamk­eit mit der Austria, allerdings hat deren Vertreter, Wirtschaft­svorstand Markus Kraetschme­r, nicht mehr kandidiert. Er will sich ausschließ­lich um die Austria kümmern.

Krammer hat sich der Wahl gestellt, bekam aber nicht die nötige Anzahl an Stimmen. „Ich betrieb kein Lobbying, halb so wild. 43 Prozent aller Zuschauer haben Rapid-Spiele besucht. Ich glaube, ohne uns geht nichts. So viel Selbstbewu­sstsein haben wir.“

Rapid startet am Sonntag bei der Admira, es folgen Heimspiele gegen Altach und den WAC. Das schreit nach neun Punkten. Djuricin sagt: „Nicht reden, machen.“Auch er ist nicht sehnsuchts­frei. „Sturm hat im Cupfinale gezeigt, dass man Salzburg schlagen kann.“Krammer hofft auf die Teilnahme an der Gruppenpha­se der Europa League. „Das ist keine Sehnsucht, sondern ein realistisc­hes Ziel.“

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Rapids Kapitän Stefan Schwab geht davon aus, dass die gesamte Mannschaft die richtige Balance findet.
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Foto: APA/Punz Rapid-Boss Krammer sagt: „Ohne uns geht nichts.“

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