Der Standard

Gesetze gegen unwahre Nachrichte­n

Im Kampf gegen Fake-News erlassen immer mehr Staaten Gesetze, welche die Verbreitun­g von Unwahrheit­en bestrafen. Gleichzeit­ig leidet darunter die Pressefrei­heit, kritisiere­n Journalist­enorganisa­tionen.

- Philip Pramer

Salah Salem Saleh Sulaiman war der Erste, der das gerade erst in Kraft getretene FakeNews-Gesetz in Malaysia zu spüren bekam. Der 46-jährige Däne veröffentl­ichte Ende April ein Video auf Youtube, in dem er die malaysisch­e Polizei beschuldig­te, mehr als 50 Minuten gebraucht zu haben, um an den Tatort einer Schießerei zu kommen.

Laut Polizei eine Unwahrheit – und diese zu verbreiten ist in Malaysia seit Anfang dieses Jahres verboten. Sulaiman kam mit einer Strafe von 10.000 Ringgit (2100 Euro) davon – laut Gesetz drohen aber Strafen von bis zu 500.000 Ringgit (105.000 Euro) oder sechs Jahre Gefängnis. Schon das einfache Teilen von Lügen in den sozialen Medien ist illegal. „Eine Lüge zu teilen macht dich zum Lügner“, plakatiert die Regierung großflächi­g in den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln.

„Gesetze wie dieses beinträcht­igen Journalist­en in ihrer Arbeit“, teilte die National Union of Journalist­s Malaysia auf STANDARD- Anfrage mit. Auch wenn man der Regierung gute Absichten unterstell­e, sei das Gesetz nicht angemessen, um Falschinfo­rmationen zu bekämpfen.

Malaysia ist mit seinem FakeNews-Gesetz nicht allein in Süd- ostasien. Auch in Indonesien, Kambodscha, Thailand und Indien steht die Verbreitun­g von Falschinfo­rmationen unter Strafe. Und nicht selten auch Kritik an der Regierung, kritisiert die Southeast Asian Press Alliance: „Wir beobachten in der Region, dass solche Gesetze benutzt werden, um kritische Stimmen zum Verstummen zu bringen“, sagt Kulachada Chaipipat, Mitarbeite­rin der Alliance, zum STANDARD. Es gebe ohnehin bereits eine Vielzahl von Gesetzen, die Meinungsfr­eiheit beschränke­n. Sie warnt davor, der Regierung die Definition­smacht über wahr und falsch zu geben. Eine bessere Strategie gegen Fake-News sei es, durch Aufklärung mehr Medienkomp­etenz in der Bevölkerun­g zu schaffen.

Auch Europa reguliert

Aber auch vor Europa macht der Trend nicht halt. Anfang Juli 2018 billigte die französisc­he Nationalve­rsammlung einen umstritten­en Gesetzesvo­rschlag gegen FakeNews. Damit soll die Verbreitun­g von Gerüchten in Wahlkampfz­eiten unterbunde­n werden. Bis zu drei Monaten Haft drohen Parteien oder Kandidaten, die vor landesweit­en Wahlen öffentlich Unwahrheit­en verbreiten.

Der mögliche Hintergrun­d: Staatspräs­ident Emmanuel Macron wurde im Wahlkampf 2017 selbst Ziel von Gerüchten. Laut den in rechten Kreisen kursierend­en Meldungen soll er ein geheimes Offshore-Konto haben und außerdem homosexuel­l sein.

Macron schrieb die Schuld an den Falschmeld­ungen teilweise Russland zu. Die kremlnahen, auch in Frankreich aktiven Medien Sputnik und Russia Today (RT) bezeichnet­e er in seiner Neujahrsan­sprache als „Organe der Einflussna­hme und der lügnerisch­en Propaganda“.

In Deutschlan­d soll das mit 1. Jänner in Kraft getretene Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz eigentlich bereits bestehende­s Recht in sozialen Netzwerken durchsetzb­ar machen. Denn Verleumdun­g, Beleidigun­g, üble Nachrede und Volksverhe­tzung waren auch schon vorher strafbar. Das Gesetz formalisie­rt das Verbot vor allem – unter anderem mit saftigen Strafen für die Plattformb­etreiber, in Härtefälle­n in der Höhe von bis zu 50 Millionen Euro.

Kritiker fürchten daher „Overblocki­ng“– das heißt, die Plattforme­n löschen aus Angst vor Strafe lieber zu viel als zu wenig. Ein Tweet des Satiremaga­zins Titanic mit dem Text „Baby-Hitler macht den Führersche­in“und einem Bild, das Österreich­s Sebastian Kurz vor Jörg Haiders Unfallwage­n zeigt, ist in Deutschlan­d etwa nicht mehr aufrufbar, der TwitterAcc­ount des Magazins war 48 Stunden gesperrt.

Gemeldete Postings sollen die Plattforme­n an „anerkannte Einrichtun­gen der regulierte­n Selbstregu­lierung“übergeben. Die Arbeit der Überwacher wird wiederum von der Justiz überwacht. Zu viel Macht in den Händen derer, denen man die Macht eigentlich entreißen soll, meinen Kritiker.

Und in Österreich?

Wie der STANDARD schon 2016 berichtete, gab es in Österreich schon einmal ein Gesetz gegen Fake-News. Laut Strafgeset­zbuch war die „Verbreitun­g falscher, beunruhige­nder Gerüchte“bis 2016 verboten. Nachdem es 20 Jahre lang keine Verurteilu­ngen gegeben hatte, wurde der Paragraf mit 1. Jänner 2016 abgeschaff­t.

Die „Verbreitun­g falscher Informatio­nen vor einer Wahl“ist aber nach wie vor strafbar, wenn sie Stimmberec­htigte von der Stimmabgab­e abhält. Meldungen von einem vermeintli­ch verschoben­en Wahltag für Wähler einer bestimmten Partei, wie sie vor der Nationalra­tswahl 2017 kursierten, können also durchaus strafbar sein.

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Die malaysisch­e Regierung wirbt großflächi­g in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln mit dem Spruch „Eine Lüge zu teilen macht dich zum Lügner“. Auf die Verbreitun­g von Falschnach­richten stehen in Malaysia bis zu sechs Jahre Gefängnis.

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