Experte: Länder zu entmachten ist kaum möglich
Föderalismusfachmann Bußjäger über die Pläne der Regierung zur Neuordnung der Kompetenzen
Wien – Kaum wurden die ersten Details der von der türkis-blauen Bundesregierung geplanten Beschneidungen der Länderkompetenzen lanciert, ließen die Länderchefs auch schon ihre Muskeln anwachsen. Ohne mit ihnen zu reden, ohne dass mit ihnen auf Augenhöhe über eine Veränderung des innerstaatlichen Machtgefüges verhandelt werde, ginge gar nichts.
„Na ja, die Regierung ist halt jetzt in der österreichischen Realität angelangt“, sagt der Direktor des Innsbrucker Instituts für Föderalismus, Peter Bußjäger im Gespräch mit dem STANDARD. Wie all die Jahre zuvor sei auch diesmal von der groß angekündigten Föderalismusreform nichts Revolutionäres zu erwarten. Wobei für Bußjäger die Koalition ja bereits bei der Formulierung ihres Regie- rungsprogramms auf wirklich große Umwälzungen im Föderalismus – etwa in der Steuerfrage oder der Bildung – verzichtet habe.
Es werde am Ende des Tages in alter österreichischer Tradition ein Kompromiss, eine „österreichische Lösung“stehen, bei dem niemand das Gesicht verlieren wird, prophezeit Bußjäger. Denn: „Das Land steht doch gut da, und wir sind bisher mit einem kooperativen Föderalismus nicht so schlecht gefahren.
Schmerzgrenzen ausloten
Die Akteure auf Landesebene sind sicher zu Verhandlungen bereit, aber eben auf gleichberechtigter Höhe – und es wird natürlich Schmerzgrenzen geben.“Eine davon sei sicherlich in der Mindestsicherungsdebatte zu erwarten, wenn der Bund im Alleingang hier Lösungen schaffen will. „Über die Köpfe der Länder etwas durchzu- peitschen wird sicher nicht so einfach sein“, sagt Bußjäger.
Für lösbar hält Bußjäger jedenfalls das Thema Gesundheit und Spitäler. Hier sei ein Kompromiss denkbar, solange die Betreibung der Spitäler in Länderkompetenz bleibe – was zu erwarten sei. Die Gesetzgebung in diesem Bereich sei sekundär.
„Die Frage wird sein, ob das dem Bund reicht. „Ich denke, er will hier in diesem so wichtigen Bereich der Spitäler sicher stärker überregional steuern, aber dies wird ein Fall für intensive Verhandlungen sein. Man wird eine Balance finden müssen zwischen regionaler Gesundheitsversorgung, legitimen Länderinteressen und einer überregionalen Planung des Spitalswesens“, sagt Bußjäger. Ohne entsprechende Kompromisse werde es jedenfalls kaum eine Zweidrittelmehrheit geben.
Wirklich ärgerlich sei in der laufenden Diskussion über Kompetenzbereinigungen das Thema Kinderbetreuung. Hier die Förderung mit der Kopftuchfrage zu verknüpfen „ist eigentlich sittenwidrig, so etwas tut man einfach nicht“, sagt Bußjäger.
Über Länder drüberfahren
„Wirklich spannend“werde es beim Thema Mindestsicherung: „Da bin ich gespannt, ob die Regierung tatsächlich mit einer Grundsatzgesetzgebung ohne die Zustimmung der Länder drüberfährt und den Ländern nur kleine Spielräume lässt.“
Bußjägers Fazit: „Wenn es im Verhältnis Bund zu den Ländern zu Neuregelungen kommt, wäre dies zumindest einmal ein Anfang, ein Reformschritt, wenn auch kein revolutionärer. An der österreichischen Kompromissrealität wird aber auch die jetzige Regierung nicht herumkommen.“