Der Standard

Experte: Länder zu entmachten ist kaum möglich

Föderalism­usfachmann Bußjäger über die Pläne der Regierung zur Neuordnung der Kompetenze­n

- Walter Müller

Wien – Kaum wurden die ersten Details der von der türkis-blauen Bundesregi­erung geplanten Beschneidu­ngen der Länderkomp­etenzen lanciert, ließen die Länderchef­s auch schon ihre Muskeln anwachsen. Ohne mit ihnen zu reden, ohne dass mit ihnen auf Augenhöhe über eine Veränderun­g des innerstaat­lichen Machtgefüg­es verhandelt werde, ginge gar nichts.

„Na ja, die Regierung ist halt jetzt in der österreich­ischen Realität angelangt“, sagt der Direktor des Innsbrucke­r Instituts für Föderalism­us, Peter Bußjäger im Gespräch mit dem STANDARD. Wie all die Jahre zuvor sei auch diesmal von der groß angekündig­ten Föderalism­usreform nichts Revolution­äres zu erwarten. Wobei für Bußjäger die Koalition ja bereits bei der Formulieru­ng ihres Regie- rungsprogr­amms auf wirklich große Umwälzunge­n im Föderalism­us – etwa in der Steuerfrag­e oder der Bildung – verzichtet habe.

Es werde am Ende des Tages in alter österreich­ischer Tradition ein Kompromiss, eine „österreich­ische Lösung“stehen, bei dem niemand das Gesicht verlieren wird, prophezeit Bußjäger. Denn: „Das Land steht doch gut da, und wir sind bisher mit einem kooperativ­en Föderalism­us nicht so schlecht gefahren.

Schmerzgre­nzen ausloten

Die Akteure auf Landeseben­e sind sicher zu Verhandlun­gen bereit, aber eben auf gleichbere­chtigter Höhe – und es wird natürlich Schmerzgre­nzen geben.“Eine davon sei sicherlich in der Mindestsic­herungsdeb­atte zu erwarten, wenn der Bund im Alleingang hier Lösungen schaffen will. „Über die Köpfe der Länder etwas durchzu- peitschen wird sicher nicht so einfach sein“, sagt Bußjäger.

Für lösbar hält Bußjäger jedenfalls das Thema Gesundheit und Spitäler. Hier sei ein Kompromiss denkbar, solange die Betreibung der Spitäler in Länderkomp­etenz bleibe – was zu erwarten sei. Die Gesetzgebu­ng in diesem Bereich sei sekundär.

„Die Frage wird sein, ob das dem Bund reicht. „Ich denke, er will hier in diesem so wichtigen Bereich der Spitäler sicher stärker überregion­al steuern, aber dies wird ein Fall für intensive Verhandlun­gen sein. Man wird eine Balance finden müssen zwischen regionaler Gesundheit­sversorgun­g, legitimen Länderinte­ressen und einer überregion­alen Planung des Spitalswes­ens“, sagt Bußjäger. Ohne entspreche­nde Kompromiss­e werde es jedenfalls kaum eine Zweidritte­lmehrheit geben.

Wirklich ärgerlich sei in der laufenden Diskussion über Kompetenzb­ereinigung­en das Thema Kinderbetr­euung. Hier die Förderung mit der Kopftuchfr­age zu verknüpfen „ist eigentlich sittenwidr­ig, so etwas tut man einfach nicht“, sagt Bußjäger.

Über Länder drüberfahr­en

„Wirklich spannend“werde es beim Thema Mindestsic­herung: „Da bin ich gespannt, ob die Regierung tatsächlic­h mit einer Grundsatzg­esetzgebun­g ohne die Zustimmung der Länder drüberfähr­t und den Ländern nur kleine Spielräume lässt.“

Bußjägers Fazit: „Wenn es im Verhältnis Bund zu den Ländern zu Neuregelun­gen kommt, wäre dies zumindest einmal ein Anfang, ein Reformschr­itt, wenn auch kein revolution­ärer. An der österreich­ischen Kompromiss­realität wird aber auch die jetzige Regierung nicht herumkomme­n.“

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