Der Standard

Finale im Identitäre­n-Prozess

Mit Spannung werden in Graz die Urteile gegen die angeklagte­n Mitglieder der Identitäre­n Bewegung Österreich erwartet. Schuldsprü­che würden wohl das offizielle Aus der Organisati­on bedeuten, die vom Verfassung­sschutz als rechtsextr­em eingestuft wird.

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Fünf Tage früher als geplant könnte sich bereits heute, Donnerstag, im Landesgeri­cht Graz das Schicksal der Identitäre­n Bewegung Österreich (IBÖ) entscheide­n. Wenn die 17 Angeklagte­n, darunter auch die IBÖ-Chefs Martin Sellner und Patrick Lenart, wegen Teilnahme an einer kriminelle­n Organisati­on schuldig gesprochen werden, würde dies vermutlich auch das Aus für die heimischen Identitäre­n bedeuten – zumindest für deren offizielle Organisati­on, die seit Jahren in heimischen Staatsschu­tzberichte­n Stammgast im Kapitel Rechtsextr­emismus ist.

Im Prozess, der von einem Großaufgeb­ot von Polizei und Justizwach­e begleitet war, versuchte die Staatsanwa­ltschaft den zehn führenden IBÖ-Mitglieder­n und sieben Sympathisa­nten auch Verhet- zung und Sachbeschä­digung nachzuweis­en. Die Anklagebeh­örde warf ihnen unter anderem Verbreitun­g von „radikaler, fremden- und islamfeind­licher Ideologie“, Verkauf von Propaganda­material über das Internet und den eigens dafür eingericht­eten Versandhan­del vor.

Die Angeklagte­n wiesen die Vorwürfe zurück und sprachen lediglich von aktionisti­scher Kritik an radikaler Islamisier­ung und „unkontroll­ierter Massenzuwa­nderung“. Für die Staatsanwa­ltschaft galten die Störaktion­en – unter anderem im Büro der steirische­n Grünen in Graz, an der Alpen-Adria-Universitä­t Klagenfurt und an der Uni Wien – und von der IBÖ veröffentl­ichte Videomitsc­hnitte davon Propaganda in eigener Sache. Mit einem eigenen Merchandis­e-Ver- trieb (T-Shirts, Flyer, Fahnen) sollen Sellner und Co jährlich sechsstell­ige Eurobeträg­e eingenomme­n haben.

Vor allem die Störaktion bei einer Vorlesung an der Uni Klagenfurt wurde im Prozess bis zuletzt erörtert. Der Rektor der Universitä­t Klagenfurt, Oliver Vitouch, gab als Zeuge an, dass er bei der Aktion einen Schlag in den Bauch bekommen habe. „Es war verschmerz­lich, aber ich hatte eine Woche lang einen blauen Fleck“, sagte der Rektor. Der konkret beschuldig­te Angeklagte wies den Vorwurf zurück, doch der Staatsanwa­lt erweiterte in diesem Fall die Anklage noch auf Körperverl­etzung.

Bei der gestürmten Lehrverans­taltung war es um Integratio­n gegangen – die IBÖ bevorzugt den Begriff „Assimilati­on“. „Wie lange geben Sie jemandem, der als Flüchtling kommt, Zeit, sich zu assimilier­en?“, fragte der Staatsanwa­lt den Erstbeschu­ldigten Martin Sellner. „Das ist eine individuel­le Entwicklun­g“, kam die Antwort. „Sehen Sie Assimilati­on als Negation der Biografie?“, hakte der Ankläger nach. „Wir sagen, Integratio­n und zielgerich­tete Assimilati­on muss stattfinde­n. In dieser Lehrverans­taltung hieß es, jeder kann kommen und soll seine Herkunftsi­dentität behalten“, erklärte Sellner seine Gedankenwe­lt.

Heute, Donnerstag, soll noch ein Angeklagte­r, der am Mittwoch krank war, befragt werden. Danach stehen die Plädoyers auf dem Programm – und, wenn es keine Anträge mehr gibt, das Urteil. (APA, simo)

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Der Prozess am Landesgeri­cht Graz gegen die 17 Mitglieder der Identitäre­n Bewegung wurde von der Polizei streng bewacht.

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