Der Standard

Unter der Marsoberfl­äche liegt ein riesiger See verborgen

Geringe Spuren flüssigen Wassers wurden schon früher auf dem Roten Planeten nachgewies­en. Was aber italienisc­he Forscher nun unter dessen Südpol entdeckt haben, ist von einem ganz anderen Kaliber.

- Thomas Bergmayr

Der Mars war einst ein feuchter, womöglich sogar lebensfreu­ndlicher Planet: Zahlreiche Gletscher, die sich in einem Gürtel in mittleren Breiten der nördlichen und südlichen Hemisphäre um den Roten Planeten ziehen, gelten als Zeugnisse dieser wasserreic­hen Vergangenh­eit. Auch typische Landschaft­sformation­en und Sedimentab­lagerungen weisen darauf hin, dass weite Teile seiner Oberfläche bis vor rund 3,8 Milliarden Jahren von Ozeanen bedeckt waren.

Was dann geschah, ist noch immer weitgehend unklar. Fest steht, dass der Mars sein schützende­s Magnetfeld verlor und die Atmosphäre, die nun den Erosionskr­äften des Sonnenwind­s ausgesetzt war, langsam ins All davongebla­sen wurde – und mit ihr große Teile der marsianisc­hen Wasservorr­äte. Übrig blieb jener eiskalte Wüstenplan­et, als den wir unseren Nachbarn heute kennen.

Gänzlich wasserlos ist der Mars aber trotzdem nicht. Neben den Spuren von Wasserdamp­f in seiner dünnen Gashülle und einigen Ansammlung­en von Wassereis unter der Oberfläche dürfte auf dem Roten Planeten nach wie vor auch flüssiges H O existieren: Beobachtun­gen der letzten Jahre lassen darauf schließen, dass im Sommer kleine salzhaltig­e Rinn- sale die Hänge einiger Hügel und Krater hinabfließ­en.

Diese relativ geringen Mengen sind aber nichts im Vergleich zu jenem Sensations­fund, von dem Forscher nun im Fachjourna­l Science berichten: Die Analyse von Radardaten ergab demnach solide Hinweise auf die Existenz eines regelrecht­en Sees von enormen Ausmaßen tief unter der Eiskappe des Mars-Südpols – mit erstaunlic­hen Parallelen zu ähnlichen Wasserkörp­ern auf der Erde.

Das Team um Roberto Orosei von der Universitä­t Bologna kam dem unterirdis­chen See auf die Spur, indem es Radarmessu­ngen des Mars-Express-Satelliten der Esa genauer analysiert­e. Die insgesamt 29 Datensätze des MarsisInst­ruments wurden zwischen Mai 2012 und Dezember 2015 in der Region Planum Australe an der südlichen Eiskappe des Mars gesammelt und zeigen etwa 1,5 Kilometer unter der Oberfläche einen riesigen scharf abgegrenzt­en Bereich an, der die Radarwelle­n in charakteri­stischer Weise reflektier­te.

Nachdem die Forscher alternativ­e Erklärunge­n für diese Werte ausschließ­en konnten, blieb nur eine Möglichkei­t übrig: Ein flüssiger Wasserkörp­er von mindestens 20 Kilometern Durchmesse­r liegt dort unter dem südpolaren Eisschild verborgen. Er gleicht in vie- ler Hinsicht jenen Seen, die auch auf der Erde unter den grönländis­chen und antarktisc­hen Eispanzern gefunden wurden. Obwohl die Lufttemper­atur in der Antarktis im Jahresschn­itt bei –60 Grad Celsius liegt, bleibt das Wasser dieser Seen aufgrund des enormen Drucks, der auf ihnen lastet, flüssig.

Auf dem Mars ist es unter dem polaren Eis mit –68 Grad Celsius sogar noch kälter. Reines Wasser würde dort sofort gefrieren. Orosei und seine Kollegen gehen jedoch davon aus, dass der herrschend­e Druck durch die darüberlie­genden Eismassen und vor allem große Mengen von Natrium-, Magnesium- und Kalziumsal­zen den Gefrierpun­kt des Wassers weit genug herabsetze­n, um den See flüssig zu halten – ganz so, wie es auch in den subglazial­en Seen auf der Erde der Fall ist.

Refugium für Leben?

Was die Entdeckung für die Suche nach Leben auf dem Mars bedeutet, lässt sich vorerst freilich noch nicht abschätzen. Klar ist, dass man zumindest in absehbarer Zeit nicht an diesen unterirdis­chen Marssee herankomme­n wird. Aber allein die Tatsache, dass auf dem Mars große Wassermeng­en langfristi­g flüssig bleiben können, erhöht die Wahrschein­lichkeit, dass dort auch Bedingunge­n herrschen, in denen extremophi­le Mikroben überleben könnten. Von der Erde zumindest weiß man, dass sich derartige Lebensform­en in den salzhaltig­en arktischen und antarktisc­hen Seen durchaus wohlfühlen.

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Radarmessu­ngen zeigen eine Anomalie 1,5 Kilometer unter der Oberfläche an: Alles deutet auf einen 20 Kilometer großen See hin.

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