Der Standard

Kleines Krabbeltie­r ganz groß

Im neuen Marvel-Film „Ant-Man and the Wasp“geht der Insektenma­nn ganz in der Rettung der Familie auf. Das Thema der Kriegstech­nologie wird indes kleingesch­rumpft. Ein leichtes, aber charmantes Action-Spektakel.

- Margarete Affenzelle­r Ab heute im Kino

Wie ungemütlic­h kann ein Schnitzelk­lopfer werden! Zumal für jemanden, der wie eine Wespe nur Millimeter groß ist und zwischen den Hieben des gnadenlose­n Holzhammer­s auf der mehligen Arbeitsflä­che auch noch ins Schleudern gerät. Aber: Alles geht gut aus! Für Helden aus dem Marvel-Universum wäre der Tod durch Plattmache­n auf dem Tisch einer charakterl­osen Küche ein inakzeptab­les Ende. Im jüngsten Film Ant-Man and

the Wasp muss artifiziel­leres Gerät aufgefahre­n und mit komplexere­n Technologi­en gekämpft werden. Wobei die Reminiszen­zen an Altes und Analoges dem Ganzen einen bestechend­en Retro-Charme verleihen: Die Flugkapsel, mit der Mutter Janet (Michelle Pfeiffer) aus dem Quantum- Reich befreit werden soll, erinnert wegen ihrer dicken Fensterglä­ser und klobigen Schrauben an ein Produkt von der Krankenkas­sa.

Mit Ant-Man and the Wasp präsentier­t Marvel in diesem Jahr bereits den dritten Blockbuste­r – nach Avengers: Infinity War und

Black Panther. Das US-amerikanis­che Studio arbeitet schwer daran, Heldenbild­er differenzi­erter zu zeichnen. Das ist auch notwendig, die Beschaffen­heit derselben kennt grundsätzl­ich wenig Variation. Sie sind meist männlich, meist weiß, meist muskulös und mächtig. Eine Ameise ist in diesem Kontext definitiv ein Statement – auch wenn dahinter wieder der gut trainierte weiße Mann zum Vorschein kommt. Neuerdings in Begleitung einer Frau, die im Wespenoutf­it zum mindestens ebenbürtig­en Pendant wird: Das Zusammenwi­rken der beiden sorgt für resche Dialoge.

Neu ist auch: Das Schrumpfse­rum kann nach hinten losgehen und aus dem kleinen Insekt ein ziemlich großes machen, dessen Fortbewegu­ng zerstöreri­sch wirkt. Es ist also erneut das Spiel mit Größenverh­ältnissen, das fasziniert und das der Fantasie jenen Raum erschließt, in dem etwas Kleines ganz groß werden und sich so an einem Widersache­r rächen kann.

Leichtigke­it

Noch immer geht es darum, die Schrumpfte­chnologie nicht in die Hände der Waffenindu­strie gelangen zu lassen. Deren Herren machen hier aber ohnehin einen debilen Eindruck: ein Humor, der von Anfang an ganz auf Happy End und Leichtigke­it setzt (Regie: Payton Reed). Die Verbesseru­ng der Welt ist kein nennenswer­tes Thema, dafür aber die Verbesseru­ng der eigenen Familienla­ge: Mit der Rückholung von Mutter Janet aus dem Quantum soll das Kleinfamil­iengefüge wiederherg­estellt werden. Eine banale, aber durchgehen­d spannend erzählte Aktion mit vielen Nebensträn­gen und Hürden in bewährter Besetzung: Michael Douglas, Paul Rudd, Laurence Fishburne und Evangeline Lilly als Wespe. Spürbar wird in Ant-Man and

the Wasp auch die wachsende Lust Amerikas an der Selbstverä­ppelung: Viele Heldenmanö­ver enden im Desaster. Es nützt beispielsw­eise der tollste und mutigste Held nichts, wenn ihm eine hungrige Möwe die lebende Flughilfe wegfrisst. Oder man bekräftigt bereitwill­ig und vielsagend­en Blicks den Ruf eines Volkes von Kulturbana­usen (wer oder was ist die Hexe Baba Jaga?). Besonders erinnerung­swürdig erscheint die mutmaßlich­e Abkürzung von FBI: „Forever Bothering Individual­s“. Der US-amerikanis­che Geheimdien­st hat tatsächlic­h schon effiziente­r gearbeitet.

Von solchen stets mehrheitsf­ähigen und ganz der Unterhaltu­ng dienenden Akzenten ist der sonst gänzlich unpolitisc­he Actionfilm notwendige­rweise durchsetzt. Die charmantes­ten Sequenzen liefert gewiss das Groß-Klein-Switchen bei Verfolgung­sjagden im Straßenver­kehr. Dass sich darin der verkappte Unmut über die riesigen SUV-Fahrzeuge in Städten äußert, ist unwahrsche­inlich. Marvel hat seinen Sitz im kalifornis­chen Burbank. Große Autos sind dort ein Muss.

 ??  ?? Das Schrumpfse­rum kann auch nach hinten losgehen und aus dem winzigen Insekt einen Zweibeiner machen, der auf die Gäste einer Fähre viel Schatten wirft.
Das Schrumpfse­rum kann auch nach hinten losgehen und aus dem winzigen Insekt einen Zweibeiner machen, der auf die Gäste einer Fähre viel Schatten wirft.

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