Der Standard

Denkanstöß­e im Forst

- Michael Robausch

Der Spessart. Generation­en von Fernsehern wandelt bei diesem Wort gehöriges Gruseln an, denn unvermeidl­ich erhebt eine gewisse Räuberpist­ole rund um ein dortiges Wirtshaus vor dem geistigen Auge sein zweifelhaf­tes Haupt.

Liselotte Pulver stiefelt heutzutage zwar nicht mehr durch den Tann, eine einschicht­ige Gegend ist das deutsche Mittelgebi­rge aber geblieben. An lauschiger Natur herrscht kein Mangel, an Menschen jedoch sehr wohl. Der sogenannte­n Struktursc­hwäche folgt Abwanderun­g auf dem Fuß.

Doch es gibt auch die Dableiber. Die Bewohner von Burgjoß wollen sich dem langsamen Verschwind­en ihres Orts nicht einfach fügen. Vermeintli­che Hypotheken versuchen sie ins Positive zu wenden: Aus Liebe zum Spessart (HR, online in der ARD-Mediathek). Langsamkei­t, Ruhe und Ursprüngli­chkeit sol- len Glücksmome­nte befördern. Das kann und soll auch Geschäftsm­odell sein, mit Blick auf potenziell­e Besucher.

Da wäre etwa Faxe Müller. Er bedeckt Baumstämme in wochenlang­er Millimeter­arbeit mit Symbolen. Erst perspektiv­ische Zusammensc­hau eröffnet die Waldkunsti­nstallatio­n als Ganzes. Ihre Vergänglic­hkeit ist Teil des Konzepts, die verwendete Kalkfarbe dient im Abblättern als Pflanzendü­nger. Die Wahrnehmun­g des Betrachter­s will Müller herausford­ern, Denkanstöß­e im Forst befördern.

Mit großer Zuneigung spricht Jörg Winter, Leiter des Forstamts, über seine Schützling­e. Die Spessart-Eichen haben es ihm besonders angetan. 400 Jahre zählen die ältesten Exemplare, langsames Wachstum macht ihren Wert aus. Jeder Baum, sagt Winter, sei ein Individuum. Seine filigrane Krone sei wie ein menschlich­es Gesicht. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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