Ein Festplatz für Könige, Primadonnen und steinreiche Männer
Warum irgendwann alle gerne bei den Salzburger Festspielen landen: Der Glaube an die Macht der Repräsentation befeuert Karrieren
Um die Bedeutung der Salzburger Festspiele für das eigene Karriere-Heil zu ermessen, lohnt sich ein vertiefender Blick in die Jedermann- Chronik. Wer einmal als Reicher Mann entsühnt und geläutert vor den göttlichen Richterstuhl tritt, der kann vorher ohne weiteres schon als „Jedermanns guter Gesell“(und zugleich als „Teufel“!) am Domplatz Dienst geleistet haben.
Tobias Moretti ward in Salzburg genau dieses christliche Schicksal beschieden. Heuer gibt er zum zweiten Mal die Titelrolle in Hof- mannsthals szenischem Holzschnitt: als verdrossener Zeitgenosse. 2005, vor 13 Jahren, tänzelte er als aasiger Teufel unvergleichlich leichtfüßig über den Platz. Vom Teufel, der um Jedermanns Seele betrogen wird, ist es oft ein steiniger Weg hin zum „Faschingsprinzen“. So nannte einst Klaus Maria Brandauer, ein besonders genießerischer Jedermann, die identitätspolitisch wichtigste Rolle, die der Festspielsommer in Salzburg zu vergeben hat.
Festspiel-Salzburg gibt das Richtmaß vor. Wer im Schatten des Mönchbergs inszeniert, spielt oder singt, erhöht automatisch den Marktwert – und erweitert seinen Geltungsbereich beträchtlich.
Insofern funktioniert Salzburg wie ein Katalysator. Im nämlichen Jahr 2005 inszenierte Martin Kušej Grillparzers verzwicktes Königsdrama König Ottokars Glück und Ende auf der Halleiner PernerInsel. Der zu Tode geschundene Lesebuchstoff entstand völlig neu. Kušej zelebrierte die ebenso aufregende wie finstere Auseinandersetzung mit den verlogenen Aspekten einer (notabene österreichischen) Reichsgründung.
Niemand konnte bezweifeln, dass Kušejs Inszenierung heimische Gründungsmythen mit Galle übergoss. Gemeint war damals, mitten in der schwarz-blauen Ära Schüssel II, die Salzburger Mär vom Segen des Österreichertums. Kušej geriet damit als kritischer Geist auch für die Headhunter der Kulturkanzleien in den Blick. Fortan war er führungsreif . Er hätte um ein Haar schon damals Aussichten auf den Direktionssessel der Wiener Burg besessen.
In Salzburg wird die Flamme des Glaubens genährt: die an die Macht der Repräsentation. Nur hier, im Umraum der Felsenreitschule, wird die Totalität der Weltverhältnisse als eine begriffen, die sich abbilden lässt. Um dieser Auffassung willen wurde der greise Ivan Nagel kurzzeitig Schauspielchef. Wegen dieses Glaubens wurden Peter Stein oder Jürgen Flimm an die Salzach gelockt. Es ist auch kein Wunder, dass die Weltkarriere Anna Netrebkos 2002 (als Donna Anna) in Salzburg Fahrt aufnahm.
Ein Schauspieler wie Jens Harzer feierte 2011 als Alter Ego des Dichters Peter Handke in Hallein Triumphe. Heuer kehrt er wieder, um als Achill (in Kleists Penthesilea) Küsse wie Bisse zu verabreichen. Gut möglich, dass er irgendwann als Jedermann seine Seele vor Gottes Richterstuhl schleppt.