Der Standard

Kopf des Tages

Trump und Erdogan streiten um einen Pastor

- Markus Bernath

Der amerikanis­che Pastor Andrew

Brunson steht im Mittelpunk­t eines Kräftemess­ens zwischen den USA und der Türkei.

Er sei hier, um für Jesus zu leiden, erklärte Andrew Brunson tapfer im türkischen Gerichtssa­al bei seiner jüngsten Anhörung und nach knapp zwei Jahren in Untersuchu­ngshaft. Doch seine weltlichen Herren mögen anderes mit dem amerikanis­chen Pastor im Sinn haben: Für den türkischen Staatschef Tayyip Erdogan ist Brunson ein Faustpfand, für US-Präsident Donald Trump ein Zugmittel für seine evangelika­len Wähler.

Und so kommt es, dass Brunson, der Presbyteri­aner-Pastor aus Black Mountain, North Carolina, plötzlich im Mittelpunk­t eines Kräftemess­ens zwischen den USA und der Türkei steht, zwei Nato-Verbündete­n mit großen Wirtschaft­s- und Sicherheit­sinteresse­n. „Weitreiche­nde Sanktionen“will Trump nun gegen die Türkei verhängen, um den 50-jährigen Pastor freizubeko­mmen.

Brunson zog als junger Mann hinaus in die Welt, weg von seiner Kleinstadt im Südosten der USA und mit einem theologisc­hen Abschluss in der Hand, um seiner Berufung zu folgen. 1993 kam er in die Türkei und blieb. Es waren die Jahre des Wirtschaft­saufschwun­gs und des Terrorkrie­gs im Südosten des Landes gegen die PKK. Brunson leitet die Wiederaufe­rweckungsk­irche in Izmir. Es ist ein klei- ner Bau im Hafenviert­el der Stadt, unweit der Anlegestel­len der Fährschiff­e nach Griechenla­nd und Italien. Kaum 40 Gläubige zählt Brunsons Gemeinde.

Mehr als 20 Jahre arbeitet der Pastor unbehellig­t im Land, lernt seine spätere Frau Norine kennen, erhält regelmäßig eine Verlängeru­ng seiner Aufenthalt­sgenehmigu­ng – bis der Putsch im Juli 2016 die Türkei erschütter­t. Brunson wird bei einem Behördenbe­such im Oktober jenes Jahres festgenomm­en. Die Vorwürfe der Justiz lauten vage auf Unterstütz­ung von Terrororga­nisationen. Bis zum April dieses Jahres muss der Pastor auf die erste Gerichtsve­rhandlung warten. 20 Kilo Gewicht verlor er in der Haft, Depression­en setzen ihm zu, so sagen Anwalt und Angehörige.

Die Verhandlun­g hat die Anmutung eines Hexenproze­sses. Anonyme Zeugen belasten den Geistliche­n. Geheime Essensrite­n mit Anhängern des Predigers Fethullah Gülen soll er gepflegt, mit einem führenden Vertreter dieser zur Terrororga­nisation erklärten Bewegung Kontakt gehabt, zugleich die Kurden der PKK christlich missionier­t haben. In Wirklichke­it geht es um Gülen. Dessen Auslieferu­ng aus den USA will die Türkei. Pastor gegen Prediger, so schlug Erdogan schon einmal vor.

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Foto: AFP Die USA wollen Andrew Brunson mit Sanktionen freibekomm­en.

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