Der Standard

Polittreff­punkt Salzburg

Die Salzburger Festspiele boten am Freitag eine prächtige Bühne nicht nur für die Kultur, sondern auch für die Politik. Während sich Bundeskanz­ler Kurz zwischen Migrations­politik und Brexit bewegte, beschwor Bundespräs­ident Van der Bellen den europäisch­en

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Die Salzburger Festspiele boten am Freitag eine prächtige Bühne nicht nur für die Kultur, sondern auch für Europas Politik.

Gäbe es die Salzburger Festspiele nicht, dann müsste Sebastian Kurz sie erfinden lassen – kaum ein Event wäre besser geeignet, um als Bundeskanz­ler und amtierende­r EU-Ratspräsid­ent den internatio­nal versierten Gastgeber für das, wenn schon nicht vereinigte, so doch das versammelt­e Europa zu spielen.

Nur wenige Stunden vor der gemeinsam besuchten Premiere von Mozarts Zauberflöt­e standen für Kurz und Außenminis­terin Karin Kneissl bilaterale Arbeitsges­präche auf dem Programm, so mit dem tschechisc­hen Amtskolleg­en Andrej Babiš und mit dem estnischen Premier Jüri Ratas. Mit beiden sprach Kurz unter anderem über das EU-Budget, Migration und die Westbalkan-Strategie. Estland und Bulgarien waren Österreich­s Vorgänger als EU-Ratspräsid­enten im zweiten Halbjahr 2017 und im ersten Semester 2018.

Gemeinsam mit Österreich bilden sie die aktuelle „Trio- bzw. Team-Präsidents­chaft“, in der jeweils drei aufeinande­rfolgende Ratspräsid­enten ein „Achtzehnmo­natsprogra­mm“absolviere­n. Die Vorgänger stehen dabei dem aktuellen Ratspräsid­enten unterstütz­end zur Seite – und so wird es Bundeskanz­ler Kurz ab Jänner 2019 auch mit seiner rumänische­n Kollegin Viorica Dăncilă halten.

Brexit-Sorgen bei May

Doch während diese Termine vor allem repräsenta­tiver Natur waren, war das Treffen Kurz’ mit Premiermin­isterin Theresa May, dem Gast aus London, das politisch wohl vordringli­chste am Freitagnac­hmittag im Hotel Sacher am Salzach-Ufer gegenüber der Altstadt. Bei ihm ging es natürlich um den Brexit, den für Frühjahr 2019 anvisierte­n EUAustritt der Briten, von dem noch niemand weiß, wie harmonisch­geregelt oder doch chaotisch-hart er ausfallen wird.

May brachte aus London eine neue Umfrage mit, die die Zerrissenh­eit der Briten in Politik und Gesellscha­ft einmal mehr sehr deutlich macht: Eine Mehrheit der Briten spricht sich nämlich aktuell für eine Volksabsti­mmung über die Bedingunge­n des Ausstiegs aus. In der am Freitag veröffentl­ichten Yougov-Erhebung für die Times vertreten 42 Prozent der Befragten die Ansicht, es solle ein Referendum über die endgültige Vereinbaru­ng zwischen London und Brüssel geben. 40 Prozent sind dagegen, die restlichen 18 Prozent legten sich vorerst nicht fest.

Mays Soft-Brexit-Kurs – sie übernimmt nun selbst die Federführu­ng bei den Verhandlun­gen mit Brüssel – bleibt also nicht nur in ihrer eigenen konservati­ven Partei heftig umstritten. Hardliner bezeichnen sie mittlerwei­le ziemlich offen als Verräterin am Referendum vom Juni 2016.

„Kirchturm-Nationalis­mus“

Zu Mittag schon hatte Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen, der zuvor seinen Staatsgast, Portugals Präsident Marcelo Rebelo de Sousa, mit militärisc­hen Ehren auf dem Residenzpl­atz empfangen hatte, in seiner Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele die Gründervät­er der Europäisch­en Union beschworen. Diese hätten noch „Leidenscha­ft, Verantwort­ung und Augenmaß“bewiesen. Dass Großbritan­nien nun die EU verlasse, sei „umso bedauerlic­her“. Visionäre in der aktuellen EU vermisst Van der Bellen: „Die Vertreter des alten KirchturmN­ationalism­us, deren Weitblick gerade einmal bis zur eigenen Staatsgren­ze reicht, spüren Aufwind“, warnte der Bundespräs­ident. „Hüten wir uns vor freiwillig­er Verzwergun­g.“Wie die Gäste aus ganz Europa diese Mahnung aufnahmen, ist nicht überliefer­t. (gian)

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Vor dem Besuch der „Zauberflöt­e“traf Bundeskanz­ler Sebastian Kurz seine britische Kollegin Theresa May sowie die Kollegen Andrej Babiš und Jüri Ratas aus Tschechien und Estland. Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen empfing den portugiesi­schen...
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