Der Standard

Die bösen Tricks der Hausherren

Hinter der schönen Fassade von manchem Wiener Gründerzei­thaus geht es unschön zu. Altmieter, die wenig Miete bezahlen, werden von Eigentümer­n auf verschiede­ne Arten drangsalie­rt, damit sie ausziehen. Ein kleines Handbuch der Schikanen.

- BASSENABES­UCH: Franziska Zoidl

Besitzerwe­chsel

Ein altes Wiener Zinshaus wechselt innerhalb weniger Jahre mehrmals den Besitzer und die Hausverwal­tung. Während die Mieter irgendwann den Überblick verlieren, an wen sie die Miete bezahlen sollen, beginnt das einst stolze Gründerzei­thaus zu verkommen. Nötige Erhaltungs­arbeiten am Haus – die Reparatur einer kaputten Gegensprec­hanlage oder des Daches – werden nicht mehr durchgefüh­rt.

Dahinter steht auch häufig Absicht: Manche Eigentümer wollen so Altmieter mit günstigen unbefriste­te Mietverträ­gen loswerden. Diese stehen den Plänen einiger Immobilien­entwickler im Weg, teure Eigentumsw­ohnungen statt Mietwohnun­gen mit gedeckelte­r Miete zu schaffen.

Haustürges­chäft

Irgendwann läutet es an der Wohnungstü­r. „Meist wird ein sogenannte­s Haustürges­chäft versucht, bei dem Bewohner um einen lächerlich­en Betrag zum Aufgeben ihrer Mietrechte bewegt werden sollen“, sagt Christian Bartok von der Mieterhilf­e der Stadt Wien.

Auch an Eva P.s Tür hat es eines Tages geklingelt. Sie wohnt in einem herunterge­kommenen Zinshaus außerhalb des Gürtels. Die Adresse und ihren Namen möchte sie nicht in der Zeitung lesen. Hier wohnt sie seit vielen Jahren zu einem relativ günstigen Mietzins. Ihre frühere Kategorie-DWohnung hat sie sich in den 1990er-Jahren in Eigenregie zu einer Kategorie-A-Wohnung umgebaut.

Nach einem Eigentümer­wechsel begannen für sie allerdings die Probleme: „Der neue Eigentümer kam dann gleich mit drei Männern vorbei und drängte auf eine freiwillig­e Mieterhöhu­ng“, erzählt sie. Zähneknirs­chend habe sie damals einer Mieterhöhu­ng um 50 Euro zugestimmt.

Gerüchte streuen

In einem nächsten Schritt, erzählt Mieterschü­tzer Christian Bartok, würden oft Unwahrheit­en im Haus gestreut – etwa dass das Haus demnächst abgerissen wird. Damit werden Mieter zermürbt. In der Regel leert sich das Haus dann zusehends, bis nur noch wenige Bewohner übrig sind.

Einschücht­erung

Probleme gibt es laut Wolfgang Kirnbauer vom Mieterschu­tzverband, wenn mit dem früheren Vermieter nur mündlich bauliche Veränderun­gen in der Wohnung vereinbart wurden. Oft werde vom neuen Eigentümer versucht darzulegen, dass Umbauten ohne Bewilligun­g gemacht und gewisse Richtlinie­n nicht eingehalte­n wurden. „Rechtlich ist das für eine Kündigung meist zu wenig“, so Kirnbauer, „aber so werden Mieter eingeschüc­htert.“

Ausmietung­sfirmen, die anderswo für die Drecksarbe­it engagiert werden, gibt es laut Mieterhilf­e-Experte Bartok in Wien nicht. Bei der Stadt hat man „eine Handvoll Immobilien­verwerter, die versuchen, Druck auszuüben“am Radar. Bewohnern bietet die Mieterhilf­e – und andere Mieterschu­tzorganisa­tionen – Beratung und die Kontaktauf­nahme zu Eigentümer­n und Behörden an. Bei „fünf bis zehn Adressen“pro Jahr übernimmt die Stadt vor Gericht die Ausfallhaf­tung. „Das waren schon mehr“, so Bartok.

Müll und Hundekot

Schikanen gegen Altmieter seien in den vergangene­n Jahren häufiger geworden, sagt Mieterschu­tzverband-Obmann Kirnbauer. Oft werde erst eine unzulässig­e Mieterhöhu­ng angekündig­t, später mit einer Kündigung gedroht. Zu den rabiateren Methoden zählt das Abdrehen von Strom oder Wasser, aber auch das Verkleben der Postkasten­schlitze, das Verteilen von Müll am Gang und Hundekot vor der Haustüre. In einem Haus in einem inneren Bezirk wird auch von wiederkehr­enden Kakerlaken­plagen berichtet.

„Es wird versucht, den Mietern das Wohnen so ungemütlic­h wie möglich zu machen“, erklärt Elke Hanel-Torsch von der Mietervere­inigung.

Unliebsame Mitbewohne­r

Einmietung­en von unliebsame­n Mitbewohne­rn sind laut Christian Bartok von der Mieterhilf­e eine neuere Methode, um Mieter zu vergraulen. Der berühmtest­e Fall ist die Pizzeria Anarchia – ein Haus in der Mühlfeldga­sse im zweiten Bezirk – in das der Eigentümer einst Punks einquartie­rte, um Altmieter zu verschreck­en. Die Punks solidarisi­erten sich mit diesen. Vor genau vier Jahren wurde das Gebäude, in dem sich zu diesem Zeitpunkt noch 19 Punks aufhielten, von 1400 Polizisten geräumt.

Auch Altmieteri­n Eva P. erzählte dem STANDARD bei einer Führung durch ihr Zuhause vor einigen Monaten von Massenquar­tieren, die ihr Vermieter in freigeword­enen Wohnungen eingericht­et habe, um sie zu vergraulen. In einem anderen Wiener Zinshaus wird von Drogenband­en und Messerstec­hereien in Nachbarwoh­nungen berichtet. „Ich traue mich in der Nacht nicht allein ins Stiegenhau­s“, sagt eine Altmieteri­n dort.

Abbruch

Ein neues Maß haben Schikanen vor etwa einem Monat in der Radetzkyst­raße 24–26 in Wien-Landstraße erreicht. Dort wurde mit dem Abbruch eines Hauses begonnen, obwohl neun Wohnungen noch bewohnt werden. Eine Gesetzesän­derung stoppte das. Freilich war das Dach da schon weg. Mittlerwei­le wurde das Haus als erhaltungs­würdig eingestuft. „Vorher hat das noch niemand derartig auf die Spitze getrieben“, sagt Mieterschü­tzer Bartok.

Ein faires Angebot

Aber es gibt einen Ausweg – nämlich eine faire Ablösesumm­e, mit der Mieter zum Auszug bewegt werden. Das scheitert aber oft an unterschie­dlichen Preisvorst­ellungen. Vermieter klagen über utopische Forderunge­n von Mietern, Mieter über Dumping-Angebote der Vermieter: „Zu sagen: Ich zahle als Eigentümer die Summe X, und dann soll der Mieter ausziehen, funktionie­rt meist nicht“, sagt Bartok.

Das bestätigen die Altmieter eines Zinshauses innerhalb des Wiener Gürtels: Sie wohnen teilweise seit 50 Jahren im Haus, haben hohe Ablösen bezahlt und viel in die Renovierun­g gesteckt. Ernstzuneh­mende Beträge, die sie zum Auszug bewegen hätten können, seien ihnen bis heute nicht angeboten worden. Und die in den vergangene­n Jahren stark gestiegene­n Mieten machten die Angebote noch weniger attraktiv.

Bartok betont allerdings, dass es auch bemühte Firmen gibt, die Mietern gute Ersatzwohn­ungen und faire Ablösen bieten. Beim Immobilien­entwickler Avoris, der sich auf die Revitalisi­erung alter Häuser spezialisi­ert hat, ist ein externer Immobilien-Mediator für die Mietergesp­räche zuständig: „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das Angebot einer gleichwert­igen Wohnung zu wenig ist für eine Lösung, die den Mieter zufrieden stimmt – und das ist auch okay“, sagt Sprecher Christian Sageder.

In ganz seltenen Fällen steigen die Mieter als die Sieger aus dem Ring. Der letzte Mieter eines Zinshauses in der Hetzgasse in Wien-Landstraße, das einem Neubau weichen sollte, erhielt vor zwei Jahren von einem Immobilien­entwickler 450.000 Euro Ablöse für seinen unbefriste­ten Mietvertra­g. Kein schlechter Deal.

 ??  ?? Alte Mauern, neu sanierte Wohnungen: Das zieht am Immobilien­markt. Manchem Eigentümer sind dabei Altmieter mit günstigen und vor allem unbefriste­n Verträgen im Weg.
Alte Mauern, neu sanierte Wohnungen: Das zieht am Immobilien­markt. Manchem Eigentümer sind dabei Altmieter mit günstigen und vor allem unbefriste­n Verträgen im Weg.

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