Der Standard

Spaniens Minderheit­sregierung verlor Abstimmung über Budgetplan

Nur 88 Abgeordnet­e in der 350 Mitglieder zählenden Volksvertr­etung stimmten für den Entwurf – Sánchez unter Druck

- Reiner Wandler aus Madrid

Es wird eng für den neuen spanischen Ministerpr­äsidenten Pedro Sánchez. Der Sozialist, der am 1. Juni mit allen Stimmen außer denen des konservati­ven Partido Popular (PP) und der rechtslibe­ralen Ciudadanos (Cs) in einem Misstrauen­svotum gegen die Regierung gewählt wurde, erlitt gestern seine erste Niederlage im Parlament. Die Abgeordnet­en der beiden katalanisc­hen Parteien und die der linksalter­nativen Podemos enthielten sich bei der ersten Abstimmung zum Haushalt 2019. PP und Cs stimmten mit Nein.

Es ging um das Defizit für die kommenden Jahre. Ministerpr­äsident Sánchez vereinte somit nur 88 der insgesamt 350 Abgeordnet­en hinter sich. Seine Sozialiste­n haben gerade einmal eine 84-köpfige Fraktion. Die baskischen Nationalis­tische Partei (PNV) stimmte als Einzige mit dem sozialisti­schen PSOE.

Das neue Defizitzie­l wäre wesentlich lockerer ausgefalle­n als bisher. Denn Europa hat Spanien ein Plus von 0,5 Prozent für das Defizit 2019 genehmigt. Das Wirtschaft­swachstum würde dies ermögliche­n. Dieses Mehr an Geld wäre vor allem den Gemeinden und Regionalre­gierungen zugutegeko­mmen.

PP und Cs weigern sich strikt, die Ausgaben zu erhöhen. Podemos ist die von Sánchez vorgeschla­gene Lockerung nicht groß genug. Und die Katalanen wollten einfach zeigen, dass ohne einen ernsthafte­n Dialog mit den Befürworte­rn der Unabhängig­keit in der Madrider Politik nichts geht. „Sie werden wohl erklären müssen, warum sich das Parlament weigert, wenn es sechs Milliarden mehr für Bildung und Gesundheit geben könnte“, sagte Finanzmini­sterin María Jesus Montero.

Ein Monat Zeit für Sánchez

Podemos und die Demokratis­che Europäisch­e Partei Katalonien­s (PdeCAT), der auch der ehemalige katalanisc­he Ministerpr­äsident Carles Puigdemont angehört, beklagten sich, dass der sozialisti­sche PSOE nicht auf sie zugegangen sei, um auszuhande­ln, was nach der Abstimmung eines neuen Defizits geschehen solle. Jetzt hat Sánchez einen Monat Zeit, um eine Einigung herbeizufü­hren. Wenn er das nicht schafft, müsste er den Haushalt auf Grundlage der alten Zahlen machen. Diese sehen vor, dass das Defizit 2019 1,3 Prozent des BIP beträgt, statt eine Lockerung auf 1,8 Prozent. Die Regionen und die Sozialvers­icherung verlieren dadurch sechs Milliarden Euro pro Jahr.

Einen Haushalt auf dieser Grundlage auszuarbei­ten würde noch schwierige­r, als es ohnehin schon ist. Sollte Sánchez scheitern, würde er um Neuwahlen im Herbst oder Winter kaum herumkomme­n. Eigentlich will der Sozialist bis zum Ende der Legislatur­periode 2020 im Amt bleiben.

„Unsere Enthaltung ist kein Nein, nehmen Sie es als eine ehrliche Anregung, die Dinge besser zu machen“, erklärte der PodemosSpr­echer Txema Guijarro. Die vorgeschla­gene Obergrenze sei nied- riger angesetzt gewesen als von Brüssel genehmigt, „um den PP mit an Bord zu holen“, warf Podemos Sánchez vor. Spanien brauche mehr Ausgaben, um aus der prekären Lage herauszuko­mmen, in der sich das Land dank der Kürzungspo­litik befinde.

Sánchez’ Sorge um den PP kommt nicht von ungefähr. Denn selbst wenn Sánchez mit seiner neuen Obergrenze durch den Kongress gekommen wäre, hätte die zweite Kammer, der Senat, ebenfalls abstimmen müssen.

Und dort hat der PP die absolute Mehrheit. Die Konservati­ven unter ihrem neuen Parteichef, dem 37-jährigen Pablo Casado, der vergangene Woche gewählt wurde, haben bereits angekündig­t, alles tun zu wollen, damit Sánchez so schnell wie möglich scheitert.

Newspapers in German

Newspapers from Austria