Der Standard

Islamisten stören Präsidente­nwahl in Mali

Terroriste­n im Norden, ethnische Konflikte im Zentrum und allerorts eine stagnieren­de Wirtschaft: Die Wahl um das Präsidente­namt in Mali am Sonntag ist von zahlreiche­n Problemen und Krisen überschatt­et.

- Katrin Gänsler aus Bamako

Plötzlich wird es unerträgli­ch laut in Bamakos Stadtteil Badalaboug­ou, der direkt am Niger-Fluss liegt. Aus den krachenden Lautsprech­ern plärrt Musik. Immer wieder wird ein Name gerufen, den aber niemand verstehen kann. Doch die jungen Leute, die sich um das Auto mit den Boxen auf dem Dach scharen, stört das nicht. Im Wahlkampf gilt es um jeden Preis aufzufalle­n. Das Amt des malischen Präsidente­n ist schließlic­h so heiß umkämpft, dass gleich 24 Bewerber – darunter nur eine Frau – in Koulouba, den Amtssitz des Staatschef­s, einziehen wollen. Gewählt wird am Sonntag.

Am stärksten präsent ist Amtsinhabe­r Ibrahim Boubacar Keïta (IBK), der nach dem Wahlsieg 2013 auf seine Wiederwahl hofft. Die Plakate präsentier­en den 73Jährigen als den großen Mann, der Mali vorangetri­eben hat. Er ist zwischen Kayes, Kidal und Sikasso in allen größeren Städten aufgetrete­n und verkauft die vergangene­n fünf Jahre als Erfolgsges­chichte. Vor geladenen Gästen, die im neuen Sheraton-Hotel seine Hochglanzb­roschüre auf dem Schoß liegen haben, spricht er über seine Reise nach Kidal und Timbuktu.

Schlechte Wirtschaft­slage

Damit will er betonen, dass der Norden wieder sicher geworden ist. „Die Situation von heute hat nichts mehr mit der vor fünf Jahren zu tun. Sie ist überwunden worden“, sagt er. Dennoch bleibt selbst ein höflicher Applaus aus.

Auch auf den Straßen hat IBK längst an Popularitä­t eingebüßt. Das hat auch mit der schlechten Wirtschaft­slage zu tun. Das knapp 18 Millionen Einwohner zählende Land liegt auf Platz 175 von 188 im Entwicklun­gsindex der Vereinten Nationen (UN). Nach Prognosen der Weltbank wird das Bruttoinla­ndsprodukt, das aktuell bei einer Wachstumsr­ate von 4,9 Prozent liegt, in Zukunft wieder sinken. Sogar die religiösen Meinungsfü­hrer – einflussre­iche Imame, die wichtige Unterstütz­er sind – hat IBK verloren.

Kein anderes Land der Region ist allerdings in den vergangene­n Jahren so gebeutelt worden. Ende 2011 besetzten Tuareg den Norden und forderten die Spaltung des Riesenstaa­tes. Im März folgten ein Staatsstre­ich und die Besetzung durch islamistis­che Gruppierun­gen. Im Jänner 2013 trieb die französisc­he Mission Serval die Islamisten in die Wüste. Es wurde als ein großer Erfolg gefeiert, und in Mali sollte die Übergangsr­egierung so schnell wie möglich abgelöst werden. Die Rückkehr zur Normalität trauten die Wähler IBK am ehesten zu.

Heute wird im Norden, aber auch in der internatio­nalen Gemeinscha­ft darüber diskutiert, wie viele Wahllokale überhaupt öffnen können. Denn trotz verschiede­ner Stabilisie­rungsmissi­onen – allein die Minusma der Uno ist mit knapp 13.300 Soldaten vor Ort – gilt der Norden als unsicherer als noch 2013. Martin Nadon, Direktor des Bereichs Wahlen bei der Minusma, will sich auf diese Spekulatio­nen nicht einlassen: „Weder 2013 noch 2016 ist es gelungen, alle Wahllokale zu öffnen. 90 Prozent waren aber geöffnet.“

Andere Beobachter finden deutlicher­e Worte. Dazu gehört IBKs Mitbewerbe­r, der Bürgermeis­ter der südöstlich­en Provinzhau­ptstadt Sikasso. „Die Konfliktli­nie hat sich in Richtung Süden verschoben“, kritisiert Kalfa Sanogo. Tatsächlic­h ist in Zentralmal­i ab 2015 ein weiterer Konflikt hinzugekom­men. Dort bekämpfen sich Dogon und Fulani, die längst ihre Milizen gegründet haben. Es geht um den Zugang zu Land, aber vor allem zu Macht. Die Querverbin­dungen zu Islamisten im Norden sind längst bekannt. In Bamako ist das allerdings lange ignoriert worden.

Menschen möchten wählen

Einer bleibt dennoch zuversicht­lich, der Politikwis­senschafte­r Naffet Keïta. Vor zwei Wochen ist er von Forschungs­arbeiten aus dem Norden zurückgeke­hrt. „Ich war in Kidal. Es stimmt nicht, dass es dort keinerlei Sicherheit gibt. Mitunter habe ich mich dort sicherer gefühlt als in Bamako.“Auch Politikver­drossenhei­t habe er nicht verspürt: „Die Wahl ist das beherrsche­nde Thema. Die Menschen wollen wählen.“

Dafür sind jedoch die Wählerkart­en notwendig, deren Ausgabe schleppend verläuft. Mittlerwei­le heißt es, dass 69 Prozent der Karten ausgegeben sind. Unstimmigk­eiten gibt es auch über die Wählerzahl­en. Die Regierung nennt auf ihrer Website 8,4 Millionen, internatio­nale Beobachter aber nur gut acht Millionen. Anhänger von Soumaïla Cissé, der als aussichtsr­eichster Opposition­skandidat gehandelt wird, kritisiert­en vergangene Woche, dass es mehr als 1,2 Millionen falsche Wählerstim­men geben könnte.

Schafft am Sonntag kein Kandidat die absolute Mehrheit, kommt es am 12. August zu einer Stichwahl. Gelingt sowohl IBK als auch Cissé der Einzug, dann ist dies eine Neuauflage von 2013.

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Ein Anhänger des Opposition­sführers Soumaïla Cissé nimmt gut gelaunt an einem Wahlkampfa­uftritt seines Kandidaten in Mopti teil.

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