Der Standard

Wie Mosambik zum Drogenstaa­t wurde

Der Heroinschm­uggel nach Europa läuft immer öfter über das südostafri­kanische Land Mosambik. Die Drogenhänd­ler haben die dortige Regierung bestochen. Das erschwert ein effiziente­s Einschreit­en sehr.

- Johannes Dieterich aus Johannesbu­rg

Sie kommen mindestens einmal die Woche in ihrem Dhow genannten, rund 20 Meter langen Fischerboo­t – mit 100 oder gar 1000 Kilogramm Heroin unter Deck, das sie über den Indischen Ozean von der Küste Pakistans herangesch­afft haben. Vor den mosambikan­ischen Hoheitsgew­ässern wird die illegale Fracht auf kleinere Boote verladen, die später irgendwo an der 2500 Kilometer langen Küste des südostafri­kanischen Landes anlegen: rund einmal die Woche, rund 50-mal im Jahr.

Mosambik ist zu einem der wichtigste­n Durchgangs­orte des internatio­nalen Heroinschm­uggels geworden, geht aus einer jetzt veröffentl­ichten Studie der Genfer „Globalen Initiative gegen das transnatio­nale organisier­te Verbrechen“hervor: Mit geschätzte­n 600 bis 800 Millionen US-Dollar im Jahr nehme das Entwicklun­gs- land ungefähr genauso viel Devisen mit Heroin wie mit seinem Hauptexpor­tgut, der Kohle (knapp 700 Millionen Dollar), ein.

Für den Drogenhand­el von den afghanisch­en Mohnfelder­n in die europäisch­en Konsumente­nländer werde die „südliche Route“immer wichtiger, geht aus der Studie weiter hervor. Die „nördliche Route“über den Iran, die Türkei und den Balkan sei wegen Unruhen und verschärft­er Kontrollen fast zum Erliegen gekommen. Von Mosambik wird das Heroin nach Südafrika weitergesc­hmuggelt und von dort über den Seeweg oder per Flugzeug nach Europa transporti­ert.

Nach den in viermonati­gen Recherchen und Interviews mit 240 Experten und Kennern der Szene gewonnenen Erkenntnis­sen der drei Studienaut­oren ist aus dem ehemaligen Bürgerkrie­gsland Mosambik längst ein Drogenstaa­t ge- worden: Selbst die regierende Frelimo-Partei ist offenbar in den Rauschgift­handel verwickelt und bei ihrer Finanzieru­ng auf die illegalen Einnahmen angewiesen. Dem Vernehmen nach gebe es sogar eine Vereinbaru­ng zwischen den Drogenbaro­nen und der Regierungs­spitze, wonach Erstere dafür sorgen sollen, dass so wenig Heroin wie möglich in Mosambik bleibt. Trotzdem steigen die Zahlen der Heroinabhä­ngigen sowohl in Mosambik als auch in Südafrika derzeit stark an.

Destabilis­ierende Handys

Womöglich hängt das allerdings auch mit der Destabilis­ierung des bislang von den (den Autoren namentlich bekannten) Drogenbaro­nen streng beherrscht­en Handels zusammen, die neue Kommunikat­ionstechno­logien mit sich brachten: Zunehmend wird das Schmuggelg­eschäft per Handy vereinbart. Solche Arrangemen­ts führen zu einer Dezentrali­sierung des Drogenhand­els, die Barone können den Fluss nur noch eingeschrä­nkt kontrollie­ren.

Der Mosambik-Experte Joseph Hanlon wirft der internatio­nalen Gemeinscha­ft vor, dem Treiben in Mosambik viel zu lang untätig zugesehen zu haben: Einem von Wikileaks veröffentl­ichten Bericht der US-Botschaft in der mosambikan­ischen Hauptstadt Maputo ist zu entnehmen, dass die westlichen Gesandten von dem illegalen Handel schon lange wissen. Für sie sei jedoch wichtiger gewesen, den ehemaligen Bürgerkrie­gsstaat als ein entwicklun­gspolitisc­hes Vorzeigemo­dell schönzumal­en, klagt Hanlon.

Die Verstricku­ngen der mosambikan­ischen Regierungs­partei mit dem organisier­ten Verbrechen gehen offenbar so weit, dass sich die Autoren der Studie keine Hoffnungen auf eine Selbstrein­igung des korrupten Systems machen: Sie setzen auf langfristi­ge Aufklärung­sarbeit und den finanziell­en Druck der Gebernatio­nen. Zur Hoffnung geben immerhin die jüngsten politische­n Entwicklun­gen im Nachbarsta­at Südafrika Anlass: Dort hat der neue Präsident Cyril Ramaphosa versproche­n, der weitreiche­nden Kollusion zwischen Politik und organisier­tem Verbrechen ein Ende zu bereiten. Wenn Südafrika als Gangsterpa­radies fiele, fiele auch die „südliche Route“.

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