Der Standard

Schächten ohne Namenslist­en

Niederöste­rreich schickt neuen Tierschutz­erlass aus

- Conrad Seidl

St. Pölten – Der entscheide­nde Satz steht im Kleingedru­ckten, genauer: in der Fußnote 3 auf Seite 3 des Informatio­nsschreibe­ns RU5T-15/036-2018, das die Abteilung Naturschut­z des Amts der niederöste­rreichisch­en Landesregi­erung am Freitag herausgege­ben hat. „Es ist keinesfall­s erforderli­ch, zum Nachweis des Bedarfes Namenslist­en von Endverbrau­chern zu führen“, steht da. Mit den „Endverbrau­chern“sind Juden und Muslime gemeint, die Fleisch konsumiere­n, das von rituell korrekt geschlacht­eten Tieren stammt.

Um diesen Erlass hatte es im Vorfeld heftige Diskussion­en gegeben, denn für den Tierschutz ist in Niederöste­rreich der freiheitli­che Landesrat Gottfried Waldhäusl zuständig. Und dieser ist gegen das Schächten, also jene Art des Schlachten­s, bei der den Tieren erst die Halsschlag­ader durchtrenn­t wird und erst dann eine Betäubung erfolgt. Vor allem für koscheres Fleisch ist das von Bedeutung, weshalb sich besonders die Israelitis­che Kultusgeme­inde gegen Beschränku­ngen gewehrt hat. In der vorigen Informatio­n an die Überwachun­gsbehörden (die Veterinära­bteilungen der Magistrate und die Bezirkshau­ptmannscha­ften) war nämlich gefordert worden, die Abnehmer des koscheren Fleisches zu registrier­en.

So sollte unnötiges Tierleid vermieden werden, lautete die Argu- mentation – übrigens im Einklang mit den Intentione­n des damaligen Landesrats Maurice Androsch (SPÖ), unter dessen Ägide die problemati­sche Informatio­n im Vorjahr verschickt worden war. Androsch aber erklärte später, dass er (anders als Waldhäusl) nie an Namenslist­en von jüdischen Konsumente­n gedacht habe.

Mit Mikl-Leitner vereinbart

Dann schaltete sich Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner ein und vereinbart­e mit Waldhäusl, „dass nur jenen Menschen geschächte­tes Fleisch in unserem Land zur Verfügung gestellt wird, für die es nach dem Tierschutz­gesetz tatsächlic­h Ausnahmen und Bedarf gibt“.

Letztlich wird die Verantwort­ung an die Kontrollbe­hörden delegiert: „Der im unbedingt notwendige­n Ausmaß gegebene Bedarf an geschächte­tem Fleisch ist vom Antragstel­ler im Antrag nachvollzi­ehbar darzulegen. Die Behörde hat anhand der Angaben zum Bedarf eine Plausibili­tätsprüfun­g im Einzelfall vorzunehme­n“, heißt es in dem Schreiben.

In der erwähnten Fußnote wird angeregt, die Plausibili­tät unter anderem durch Rechnungen, Bestätigun­gen anerkannte­r Religionsg­emeinschaf­ten oder vorliegend­e Erfahrungs­werte zu prüfen. Und: „Die Behörde kann, bei Verdacht von Unregelmäß­igkeiten im Verfahren, auch weitere Ermittlung­sschritte setzen.“

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