Der Standard

Gute Zölle, schlechte Zölle

Ob durch die WTO gedeckt, gut für die Industrie oder sprudelnde Einnahmequ­elle – Zölle haben nicht nur negative Auswirkung­en, wenn sie maßvoll eingesetzt werden.

- Leopold Stefan, Aloysius Widmann

Zölle verstopfen die Lebensader­n einer globalen Wirtschaft. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriege­s finden regelmäßig internatio­nale Verhandlun­gsrunden statt, um Handelsbar­rieren abzubauen. Die Erfahrung mit früheren Handelskri­egen und Abschottun­g sollte nicht wiederholt werden. Kein Wunder, dass bei vielen Ökonomen die Alarmglock­en schrillen, seit USPräsiden­t Donald Trump seine protektion­istische Politik samt getweetete­r Begleitmus­ik „Zölle sind großartig“verfolgt.

Doch auch Verfechter des Freihandel­s können Zöllen etwas abgewinnen, wenn sie richtig eingesetzt werden. Um die Kritik an Trumps Handelspol­itik besser zu verstehen, hilft es, die Argumente für Zölle zu betrachten.

Nationale Sicherheit Trump liegt richtig, wenn er sagt, dass nationale Sicherheit­sbedenken Zölle rechtferti­gen. Wenn für die nationale Sicherheit notwendig, erlaubt die Welthandel­sorganisat­ion (WTO) Schutzzöll­e ausdrückli­ch. Ob amerikanis­che Importschr­anken etwa für Stahl, Alumi-

Qnium oder Autos vor der WTO Bestand hätten, ist offen.

Diese gestattet Sicherheit­sausnahmen in drei Fällen: wenn sicherheit­srelevante Informatio­nen in Gefahr sind. Wenn internatio­nale Konflikte drohen. Und wenn es um die Verteidigu­ng der eigenen Sicherheit­sinteresse­n geht – zum Beispiel beim Waffenhand­el oder beim Handel mit radioaktiv­en Elementen. Entscheide­nd ist also, was genau unter nationaler Sicherheit zu verstehen ist.

Gerechte Gegenschlä­ge Die WTO wacht über fairen Handel. Wenn China die Welt mit zu billigen Stahlrohre­n flutet, Washington Autos zur Sache der nationalen Sicherheit erklären würde oder die EU Butterberg­e anhäuft, statt sich an Verspreche­n zum Abbau von Agrarsubve­ntionen zu halten, tritt sie als Richterin auf. Während sie Vorwürfe prüft und wenn ein Regelverst­oß vorliegt, darf das geschädigt­e Land als Gegenmaßna­hme seinen Markt mit gezielten Zöllen schützen.

Dabei gilt das Prinzip „Auge um Auge“. Die Höhe des Schadens bestimmt die Höhe der erlaubten

QGegenzöll­e. Um welche Produkte es sich handelt, ist dabei zweitrangi­g. Die bei der WTO angemeldet­en Gegenmaßna­hmen der EU zu US-Stahlzölle­n umfassen daher viel mehr als den Wert der Stahlimpor­te aus Amerika. Nämlich deshalb, weil die USA deutlich mehr davon aus Europa beziehen als umgekehrt.

Unfaire Handelspra­ktiken festzustel­len ist nicht immer leicht. Ab wann ist chinesisch­er Stahl unprofitab­el subvention­iert oder einfach nur billiger? Wann ist ein erlaubter Schutzzoll wegen einer plötzliche­n und ausgeprägt­en Importschw­emme eigentlich eine Ausrede, um eine konkurrenz­unfähige Branche zu schützen?

Industrie in Kinderschu­hen Fast alle entwickelt­en Industrien­ationen sind hinter Zollschutz­mauern groß geworden, betont Ha-Joon Chang, Entwicklun­gsökonom an der Universitä­t Cambridge. Das muss natürlich nicht heißen, dass ein liberalere­r Ansatz nicht trotzdem Vorteile gebracht hätte. Doch es zeigt, wie intensiv Staaten sich stets in den Handel eingemisch­t haben.

QProminent­es Beispiel ist die historisch­e Aufholjagd Japans ab den 1950er-Jahren. Die Regierung in Tokio hat die heimische Autoindust­rie mit Zöllen von bis zu 40 Prozent vor der Konkurrenz aus den USA geschützt. Washington machte damals Druck, die Handelsbar­rieren zu senken, Japan solle sich auf seine Stärken spezialisi­eren, zum Beispiel auf Tunfischfa­ng. Die Japaner blieben hart. Ihre Autoindust­rie reifte mit der Zeit so weit heran, bis sie internatio­nal konkurrenz­fähig war.

Allerdings funktionie­rt der Schutz von jungen Industrien, wenn überhaupt, nur dann, wenn der Konkurrenz­druck stetig zunimmt. Die Zölle müssen bald wieder sinken – so wie in Japan. Viele negativ Beispiele zeigen, dass der Schutz junger Industrien bei weitem kein Garant für deren Erfolg ist. Die einst hoch protegiert­e brasiliani­sche Computerbr­anche belegt das eindrückli­ch.

Luxusartik­el Luxushandt­aschen aus Frankreich oder Uhren so teuer wie Kleinwagen leisten sich nur die Reichsten. Höhere Preise auf Luxusgüter können sie ver-

Qschmerzen – die weniger wohlhabend­e Mehrheit bekommt von Zöllen auf Luxusartik­el kaum etwas mit. Scheinbar der perfekte Zoll: Der Staat verdient, innenpolit­isch ist er durchsetzb­ar, hauptsächl­ich der Exporteur spürt ihn. Hersteller von Luxusgüter­n haben oft größere Gewinnspan­nen und müssen die Zölle nicht eins zu eins an die Konsumente­n weitergebe­n.

Unproblema­tisch sind solche Zölle aber nicht. Auch am Markt für Luxusgüter herrscht Wettbewerb, Zölle wirken da verzerrend. Und was Reiche mehr für Luxusgüter ausgeben, sparen sie womöglich anderswo ein.

Beliebt sind Zölle auf Luxusgüter bei besonders armen Ländern. Wenn eine kleine reiche Elite ausländisc­he Luxusgüter nachfragt, fließt aus diesen Ländern Jahr für Jahr viel Geld ab. Durch Importzöll­e können Regierunge­n mitverdien­en, Zölle sind oft eine wichtige Einnahmequ­elle. Nigeria, Ägypten und andere Länder erheben deshalb teils drastische Zölle auf Kosmetika, Autos und andere Luxusgüter.

 ?? Ty et G s: to Fo d, al w y Se di ei H : ge ta on M ??
Ty et G s: to Fo d, al w y Se di ei H : ge ta on M

Newspapers in German

Newspapers from Austria