Der Standard

Amazon schwebt in hohen Wolken Der Onlinehänd­ler beeindruck­t mit einem Rekordgewi­nn und könnte bald zu Apple aufschließ­en. Erträge bringen vor allem die florierend­en Geschäfte aus den Online-Speicherdi­ensten.

- Jakob Pallinger

Wäre die Börse ein Pferderenn­stall, dann wäre Amazon das Englische Vollblut. In den letzten Monaten hat es beinahe alle Konkurrent­en ausgestoch­en: Im Februar verdrängte es Microsoft von Platz drei, im März Google von Rang zwei. 2018 zog der Börsenwert Amazons auf 880 Milliarden Dollar an, das Unternehme­n ist damit etwa so viel wert wie die zehn größten Dax-Konzerne zusammenge­nommen. Nun fehlt nur noch Apple, um zum teuersten Unternehme­n der Welt aufzusteig­en. Beide Unternehme­n steuern auf die Schwelle von einer Billion Dollar zu, nicht wenige Analysten trauen Amazon zu, das Rennen zu gewinnen.

Das hat auch mit einem Geschäftsf­eld zu tun, das abseits des Onlinehand­els vergleichs­weise wenigen geläufig ist und lediglich drei Buchstaben enthält: AWS. Übersetzt als Amazon Web Services, bietet das Tochterunt­ernehmen sogenannte Cloud-Dienste an. Die Idee dahinter ist einfach: Statt Produkte zu bestellen, erwerben die Kunden (in diesem Fall vor allem Unternehme­n) Speicherpl­atz, auf dem sie ihre Daten ablegen oder die Rechenleis­tung aus der Ferne verbessern können.

Die Datenzentr­en stehen an Orten wie dem südöstlich­en USBundesst­aat Virginia. Weiße Betonblöck­e, abgegrenzt mit schwarzen Zäunen, Sicherheit­spersonal an den Eingängen und Kameras, welche das Areal überwachen. Im Inneren reihen sich dutzende Serverkäst­en aneinander, die über ein weitverzwe­igtes Kabelnetz miteinande­r verbunden sind – zu sehen sind die Bilder auf der Web- site von AWS. Zutritt zu den Räumen haben nur die wenigsten, auch die genauen Standorte seiner Rechenzent­ren hält Amazon geheim.

Unternehme­n gehen in Cloud

Mit den Speicherdi­ensten hat Amazon die Entwicklun­g auf seiner Seite: Denn die Nachfrage danach steigt. Bis 2020 werden Unternehme­n bereits 41 Prozent ihres Arbeitspen­sums über öffentlich­e Cloud-Anbieter abdecken, prognostiz­iert eine Umfrage des IT-Beobachtun­gsunterneh­mens Logic Monitor. Die Verschiebu­ng der Daten in die „Wolke“wird von kaum einem Wirtschaft­sbereich ausgelasse­n. Zu den Kunden zählen etwa der Energierie­se RWE, der Pharmakonz­ern Pfizer, Handy-Hersteller Nokia oder die Streaming-Plattform Netflix. Selbst das Pentagon will mit Cloud-Anbietern zusammenar­beiten und bis zu zehn Milliarden Dollar für die Speicherun­g seiner Daten zahlen.

AWS ist auf dem Markt zwar nicht allein – Konkurrenz machen ihm vor allem die Cloud-Dienste von Google und Microsoft – allerdings ist ihnen AWS mit seiner Infrastruk­tur bereits deutlich voraus. Rund 31 Prozent Marktantei­l hat AWS laut der Datenfirma Canalys, bis zu 70 Prozent der CloudInfra­struktur stellt das Unternehme­n zur Verfügung. Selbst Apple lagert einen Teil seiner Daten auf AWS aus, und auch Dropbox nutzte bis vor kurzem das System. AWS brachte Amazon zuletzt 1,64 Milliarden Dollar Gewinn ein.

Für das Unternehme­n hat das gleich mehrere Vorteile: Denn es kann andere Bereiche und neue Projekte quersubven­tionieren, seien es kassalose Supermärkt­e oder seine Dienste im Streamingg­eschäft. Damit können in einzelnen Fällen niedrigere Preise als von der Konkurrenz angeboten werden, womit Mitbewerbe­r aus dem Markt gedrängt werden, kritisiere­n andere IT-Unternehme­n.

Schon jetzt ist Amazon in den verschiede­nsten Marktberei­chen tätig, meist mit dem Ziel, zum führenden Anbieter aufzusteig­en. Für die Mitbewerbe­r hat die Nutzung von AWS daher eine ironische Seite: Sie verhelfen der Konkurrenz zum Aufstieg. Die Sparte wird jedenfalls weiter wachsen, prognostiz­ieren Analysten, die für

mazon schon eine – für sie – passende Bezeichnun­g gefunden haben: ein Cloud-Service-Anbieter mit angeschlos­senem Warenhaus.

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