Der Standard

Strukturel­l arbeiten, visuell denken

Die Ausstellun­g „Film und mehr. Aus den Archiven von Kurt Kren und Ernst Schmidt jr.“im Mumok präsentier­t die Nachlässe der beiden österreich­ischen Avantgarde­filmemache­r.

- Christa Benzer

Ich weiß nicht, ob der Weibel schon mit dir geredet hat“– so beginnt ein Brief von Elfriede Jelinek an Ernst Schmidt jr. Die Schriftste­llerin schlägt ihm darin die Verfilmung eines ihrer Stücke über den „Wessely-Hörbiger-Clan in der Nazizeit“vor. Aufgrund des Einflusses der Familie sei an eine Theaterauf­führung gar nicht zu denken, eine private Vorführung in einem Filmclub („Filmmuseum oder Z-Club“) sei aber vorstellba­r.

In der Ausstellun­g Film und mehr. Aus den Archiven von Kurt Kren und Ernst Schmidt jr. im Mumok hängt ihr Brief in einer Wandvitrin­e neben einem Schreiben von Peter Handke. Dieser bemerkt in dem ansonsten eher allgemeinf­reundschaf­tlich gehaltenen Brief zum österreich­ischen Film kritisch an, dass dieser sich zu viel mit Österreich befasse.

Film und bildende Kunst

Betrachtet man die in der Ausstellun­g präsentier­te Auswahl an Filmen genauer, tendiert man dazu, Handkes Beobachtun­g auch zu widersprec­hen: Auf Monitor zeigt man zwar auch Rotweißrot (1967), einen Kurzfilm, in dem Ernst Schmidt jr. (1938–1988) ein österreich­isches Fremdenver­kehrswerbe­schild formal zerlegt. Darüber hinaus sind es jedoch überwiegen­d streng konzeptuel­le filmische Fragen, die die Interessen von Schmidt und Kren (1929– 1998) eint:

„Syntax und Form“, titelte dementspre­chend auch ein Artikel, den Ernst Schmidt jr. gemeinsam mit Peter Weibel über die Stummfilme von Sergei Eisenstein ver- fasste. Sein Nachlass, der 2015 ans Mumok kam, umfasst außerdem Listen mit Filmkatego­rien (u. a. „Materialfi­lm“), ein Aufruf zum Boykott des Filmmuseum­s, Presseauss­endungen zur Filmförder­ung oder Material für ein Filmlexiko­n von A bis Z (unter anderem ein Artikel über den Filmemache­r Želimir Žilnik).

Dass sowohl Ernst Schmidt jr. als auch Kurt Kren in den letzten Jahren Ausstellun­gen in der Secession und im Atelier Augarten gewidmet waren, hat auch damit zu tun, dass beide zeitlebens an einer Zusammenfü­hrung von Film und bildender Kunst gearbeitet haben.

Im Mumok erzählt davon ein Artikel von Schmidt jr. ebenso wie die Editionen oder malerische­n Partituren von Kurt Kren: Bei Letzteren handelt es sich um Notationen, nach denen Kren sein filmisches Material (u. a. Happening der Aktioniste­n) strukturie­rte.

Sein Nachlass, der von Ausstellun­gen in der Judson Gallery, Begegnunge­n mit Andy Warhol oder seinen Gefühlen gegenüber Wien („Wieder in Wien, Scheiß Wien!!!“) erzählt, befindet sich seit heuer im Mumok. An zahllosen Querverbin­dungen – neben inhaltlich­en etwa auch die gemeinsame Beteiligun­g an der Gründung der Austria Filmmakers Cooperativ­e – mangelt es in der Ausstellun­g nicht. Es ist Josef Dabernig und seinem klug strukturie­rten Display zu verdanken, dass in der Zusammenfü­hrung der Nachlässe auch die Eigenständ­igkeit der beiden Künstler ersichtlic­h wird. Bis 3. 2. 2019

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Aus dem Nachlass des österreich­ischen Filmemache­rs Kurt Kren: Detailansi­cht einer Aktion des Künstlers Günter Brus aus dem Film „Selbstvers­tümmelung“(1965). Wien

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