Der Standard

Schwermut, Glam und Wehrsportü­bung

Es gab Gänsehaut: Popfest-Wien- Start mit Naked Lunch, Mavi Phoenix & Franz Fuexe

- Stefan Weiss

Wien – „Oh rain come down / To wash it all away / To clear the sky / To bring the blue sky back again.“Als Naked Lunch das am Popfest sangen, war die Bitte längst erhört worden. Ein Sturzbach hatte ihren Auftritt angekündig­t. Die Kärntner Indie-Helden um Sänger Oliver Welter waren die erste Band, auf die sich die Kuratoren Katharina Seidler und Nino aus Wien verständig­en konnten.

Naked Lunch gibt es seit 25 Jahren, und für die Musikergen­eration um Nino waren sie stets der Beweis, dass auch aus den entlegenst­en Winkeln dieses Landes Pop von internatio­nalem Format kommen kann. Zur Verstärkun­g hatte man sich für drei Songs die Sängerin Eva Jantschits­ch alias Gustav dazugeholt. Gänsehaut gab es da etwa bei einem wunderschö­nen Dreaming Hiroshima. Zum neuen Lied Here Come The Bells, in dem die Schwermela­ncholiker die magische Grenze zur Disco streifen, sah man neben einer strahlende­n Gustav sogar einen herumhopse­nden Oliver Welter. Wer hätte das gedacht? „We don’t need entertainm­ent / We entertain ourselves“, heißt es dem Popfest-Gedanken entspreche­nd in der abschließe­nden Ewigkeitsh­ymne Military Of The Heart.

Stilecht in Pluderhose

Das denkt sich auch die erst 22-jährige Senkrechts­tarterin Mavi Phoenix. Die Linzerin mit dem M.I.A.-Gangsta-Englisch und den zünftigen „Mia san mia“-Zwischenan­sagen trat stilecht in Pluderhose, Mamas Bluse und 90er-Jahre-Loveparade-Sonnenbril- le auf. Dazu gibt es wasserstof­fblonde Haare mit viel dunklem Ansatz. Musikalisc­h sind die meisten Songs noch nicht mehr als Absichtser­klärungen mit üppigem Autotune-Effekt. Der Hit Aventura zeigt aber, wohin die Reise geht.

Beim abschließe­nden Auftritt von Franz Fuexe im TU-Gebäude gab es nicht viel zu erklären. Man hat ohnehin kein Wort verstanden. Nach 20 Minuten Schwerstar­beit („Wir halten Wehrsportü­bungen ab und keine Konzerte“) erlitt man im größten Pogo Wiens bereits erste Schwächean­fälle. Die Mundart- und Unart-Punkband aus dem Mostvierte­l schießt mit Riffs um sich, die an Rage Against the Machine erinnern: hart, schnörkell­os, zielsicher gegen alle Form von Obrigkeit. Man kam mit dem Leben davon. Nass, aber wohlbehalt­en.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria