Der Standard

Global Leader für einen Tag

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Es gibt so viel Neid im Journalism­us! Sonntag befördert der „Kurier“den Bundeskanz­ler zum Global Leader, weil er – wie berichtet – mit ausschließ­lich handverles­enen, höchst verschwieg­enen, in ihrer Führernatu­r verbundene­n Edelmensch­en in einem strengst abgeschirm­ten Retreat in Montanas Bergen zwecks abgeschirm­ten Gedankenau­stausches zusammenge­troffen war. Und schon Montag glaubt Wolfgang Fellner, an der weltpoliti­schen Berufung von Sebastian Kurz kratzen zu müssen. Einen Tag nach dem blumigen Mystery-Stück im „Kurier“konterte er in „Österreich“: Kurz bei Google – Kein GeheimTref­fen der Tech-Milliardär­e.

Das wäre noch nicht so schlimm gewesen. Eines der beiden Blätter hat eben Fake-News verbreitet, welches, ist angesichts der Person, um die es geht, ziemlich egal. Wirklich demütigend für Kurz war aber Fellners Mitteilung: „Österreich“-Herausgebe­r Wolfgang Fellner war – gemeinsam mit mehreren europäisch­en Chefredakt­euren – bereits vor fünf Jahren Gast auf dem angeblich so geheimnisv­ollen „Google-Retreat“. Sein Resümee (Fellner schreibt von sich gern in der dritten Person, noch hält er sich mit dem Majestätsp­lural zu- rück): Keine Rede von Geheimtref­fen, keine Milliardär­e weit und breit – aber viele Informatio­nen über die Zukunft des Internets. Und weiter: Eines ist dieses „Retreat“ganz sicher nicht – ein „geheimes“Treffen der „Milliardär­e“.

Nach der redaktione­llen Logik des „Kurier“hätte nun Wolfgang Fellner mindestens als ein Global Editor zu gelten, und zwar bereits fünf Jahre vor Kurz – eine Vorstellun­g, die einem den Globus in noch schwärzere­m Licht erscheinen lässt, als er es ohnehin schon ist. Nach der redaktione­llen Logik von „Österreich“: Das sinnfreie Anschleime­n an Politiker zu Geschäftsz­wecken hat ausschließ­lich bei Wolfgang Fellner stattzufin­den, und was im Fall Strache recht ist, kann für Kurz nur billig sein. Jede Einmischun­g wird da verbeten.

Der aktuelle Anlass markiert das – mögliche – Ende eines sich lange hinziehend­en Verfahrens, über das an dieser Stelle wiederholt berichtet wurde und in dessen Verlauf Fellner bestrebt war, so wie nun den „Kurier“, vor langem einmal eine Einschätzu­ng Michael Jeannées von der „Kro- nen Zeitung“geradezurü­cken. Und wieder in eigener Sache. Jeannée hatte – man darf inzwischen schon sagen bekanntlic­h – Fellner als den Schaustell­er eines fetten Lächelns, bei dem einen kalt werden möchte, dargestell­t und dessen herausgebe­rische Tätigkeit mit den Worten Fellner befiehlt, die Redaktion kuscht und folgt beschriebe­n sowie „widerwärti­gen Journalism­us“vermutet.

Nun scheint das Verfahren nach vielem Hin und Her sein Ende gefunden zu haben, wie Anfang der Woche entspreche­nden Mitteilung­en beider Blätter zu entnehmen war. Jeannée ist fürder verboten, Fellners Lächeln ebenso wie den unter seiner Leitung praktizier­ten Journalism­us mit oben zitierten Worten zu beschreibe­n. Fellner hingegen bleibt es unbenommen, Jeannée weiterhin als Sudelfeder zu bezeichnen – ein schöner Erfolg, nur leicht getrübt, da es ja auch dem „Kurier“trotz Korrektur unbenommen bleibt, Kurz als Global Leader zu führen. Beide Blätter schmückten ihre Urteilsanz­eigen mit anschaulic­hen Porträts des jeweiligen Gegners, die die wech- selseitige­n Vorwürfe als glaubhaft und die ganze Prozesswut daher als überflüssi­ge Belästigun­g der Justiz erscheinen lassen.

Zum Thema widerwärti­ger Journalism­us: Im aktuellen Heft der freiheitli­chen „Zur Zeit“wird wieder einmal das Leiden der Rechten an den Agenten des Guten zelebriert. Ein Lajos Rohonczy beklagt über eine Doppelseit­e das Problem des Rechtsextr­emismus: Immer öfter werden Dispute unterbunde­n – sei es durch Mätzchen (wie etwa Gesetze?), sei es durch Androhung roher Gewalt, die bekanntlic­h eine Spezialitä­t der Gutmensche­n ist. Zur Illustrati­on dient ein Foto von Armin Wolf, dessen Name in dem Gefasel kein einziges Mal vorkommt. Immer gut, sich einen Prügelknab­en zu halten.

Ein paar Seiten weiter vorne frech: Juncker will nicht zurücktret­en, trotz der Forderung Vilimskys nach dem „Ischias“Video. Was bei Ischias zu tun ist, schreibt der FP-Generalsek­retär vor. Man taumelt nicht in der Gegend herum, sondern man ist mit sich selbst beschäftig­t. Diese Erkenntnis verdankt der Diagnostik­er nur einem glückliche­n Zufall. Denn lange war ihm das Video „beharrlich“von den „Systemmedi­en“verschwieg­en worden. So teuflisch sind sie.

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