Der Standard

Retourgang beim Brexit

- Thomas Mayer

EU-Handelskom­missarin Cecilia Malmström plädiert für die Rückkehr zur Vernunft in den internatio­nalen Wirtschaft­sbeziehung­en: „Höchste Zeit, für globale Ordnung und einen auf gemeinsame­n Regeln basierende­n Handel aufzustehe­n. Die Uhren zurückzudr­ehen wäre ein sicheres Rezept für ein ökonomisch­es Desaster.“Sie schrieb das in der Financial Times, wenige Stunden nach der Einigung von Jean-Claude Juncker und Donald Trump, den Handelskri­eg USA–EU doch wieder auf Eis zu legen.

Noch ist unklar, ob das gelingen wird. Der US-Präsident ist wankelmüti­g, könnte morgen wieder hart auf Protektion­ismus und Egoismus umschalten. Auf EU-Seite zeigten Einwände von Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron, dass auch der Kommission­spräsident nicht mit einer einheitlic­hen Linie rechnen kann. Aber Malmström traf einen anderen wichtigen Punkt: Wenn man einen schweren strategisc­hen Fehler erkannt hat und sich abzeichnet, dass es am Ende fast nur Verlierer gibt – die Wirtschaft, die Bürger, ganze Staaten –, heißt es umkehren, nie aufgeben.

Juncker, der diese „Mission impossible“mit Trump ausgeführt hat, glaubt, dass das funktionie­ren kann und wird. Was für EU und USA gilt, sollte nach der „Wende im Weißen Haus“noch viel mehr beim Brexit gelten. Mit dem EUAustritt Großbritan­niens würde die Union einiges an engsten Wirtschaft­sbeziehung­en und Wohlstand einbüßen. Die Verhandlun­gen gehen ins Finale, sind aber in entscheide­nden Punkten festgefahr­en. Auf beiden Seiten wird von Tag zu Tag klarer, dass es kaum Gewinner, aber viele Verlierer geben wird. Unklar ist nur das Ausmaß der Schäden.

Deshalb tingelt Premiermin­isterin Theresa May derzeit durch die Union – in Salzburg traf sie Kanzler Sebastian Kurz als EU-Ratspräsid­enten. Sie muss erkennen, dass auch ihr zuletzt präsentier­tes Konzept einer sehr speziellen Zollunion aus EU-Sicht nicht akzeptabel ist. In Irland drohen wegen künftiger Grenzkontr­ollen politische Verwerfung­en.

Keiner weiß, wie man da rauskommt. Das wäre nun eigentlich der ideale Moment, in London wie in Brüssel noch einmal ernsthaft über eine Alternativ­e zum Brexit nachzudenk­en. Vor dem Referendum 2016 waren die EUPartner bereit, den Briten eine „spezielle EU-Mitgliedsc­haft“zu ermögliche­n, sie wären im Binnenmark­t geblieben. Bevor es zum chaotische­n Bruch kommt, muss man sich das erneut überlegen. Vielleicht hat Mozarts Zauberflöt­e May geholfen, einen neuen Sound zu finden.

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